Archiv der Kategorie: Allgemein

Praytime 20

von Katja Mönch

Meine Identität in Gott

Seit einiger Zeit lese ich zusammen mit zwei Freundinnen das Buch: „Die Kunst sich selbst zu führen“ von Thomas Härry.

In einem Kapitel geht es um die eigene Identität und hier werden die 7 Bausteine vorgestellt:

  • Du bist gewollt                                                                                         Freitag
    „So spricht der Herr, dein Schöpfer…, der dich gebildet hat…: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst mir.“ Jes 43,1
    Ich bin von Gott gewollt und wunder geschaffen.!
  • Du bist gekrönt                                                                                                       Samstag
    „ Du hast ihn (den Menschen) wenig geringer gemacht als Gott, mit Ehre und Hoheit hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum Herrscher gesetzt über Werke deiner Hände, alles hast du ihm unter die Füße gelegt.“ Psalm 8,6-7 Ich bin mit Ehre ausgestattet und mit Hoheit gekrönt!
  • Du bist angenommen                                                                             Sonntag „So spricht der Herr, dein Schöpfer…, der dich gebildet hat…: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst mir.“ Jes 43,1 Ich bin unwiderruflich angenommen bei Gott
  • Du bist versorgt                                                                                        Montag
    „Der Herr ist mein Hirte, ich werde nicht zu kurz kommen. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führt mich zu frischem Wasser. Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf dem rechten Weg, um seines Namens willen.“ Psalm 23,1-3 (Übersetzung nach Thomas Härry)
    Ich werde von Gott versorgt und geführt!
  • Du bist geliebt                                                                                           Dienstag „Der Herr, dein Gott, ist bei dir, ein starker Heiland. Er wird sich über dich freuen und dir freundlich sein, er wird dir vergeben in seiner Liebe und wird über dich mit Jauchzen fröhlich sein.“ (Zef. 3,17 LUT)
    Ich werde von Gott geliebt und umjubelt!
  • Du bist festgehalten                                                                                Mittwoch „Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir! Hab keine Angst, denn ich bin dein Gott! Ich mache dich stark, ja, ich stehe dir bei! Ja ich halte dich mit der rechten Hand meiner Gerechtigkeit!“ (Jes. 41,10)
    Ich bin und bleibe von Gott getragen.
  • Du bist gesegnet                                                                                      Donnerstag „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus.“ (Eph.1,3 LUT)
    Ich wurde und bin überreich gesegnet!

Welche dieser Zusagen spricht Dich besonders an? Spüre hier einmal nach und bringe dies vor Gott im Gebet. Lerne den entsprechenden Bibelvers dazu auswendig.

Nehme Dir die nächsten 7 Tage jeden Tag eine der oben gennannten Zusagen vor und lese diese laut zusammen mit dem Bibelvers!

Segenslied

https://www.youtube.com/watch?v=w2pjC6s6O_c

Der Herr segne und behüte Dich, der Herr lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei Dir gnädig. Der Herr wendet Dir sein Angesicht zu schenke Dir sein Heil.

Praytime 19

von Stefan Harrer

I’ll be back…

Meine Firma plant dieser Tage alle Gestrandeten im Homeoffice wieder zurück ins Firmengebäude zu holen. Dazu muss jeder nochmals eine Arbeitsschutzunterweisung erhalten, die neben all den Regeln für entfernte Begegnung in Corona-Zeiten auch nochmal die Basics für Notfälle und Rettungswege enthält. Ich halte kurz inne.

Wer hat uns eigentlich je eine Unterweisung über alle „Life Matters“ gegeben, wie Leben geht? Schalte ich die Nachrichten ein, die oft von den allervordersten Menschen dieses Planeten handeln, höre ich meist nur über „Selbstsucht, Geldgier, Prahlerei, Einbildung, Beleidigung, Ungehorsam, Undankbarkeit, Lieblosigkeit, Unversöhnlichkeit, Verleumdung, Unbeherrschtheit, Gewalttätigkeit, Hass, Untreue, Unzuverlässigkeit, Überheblichkeit und so resümiert Paulus in 2. Tim 3,4 : „ sie kümmern sich nicht um das, was Gott Freude macht, sondern suchen nur, was ihre eigene Lust vermehrt.“ Eine überdrehte Welt, und wir wissen, wenn wir eine Schraube einmal überdreht haben, funktioniert sie nicht mehr. Dann hält nichts mehr. Von hier ist also keine Hilfe zu erwarten. Ich schalte wieder aus, schlage die Bibel auf uns beginne zu beten…

  • Wir danken dafür, dass Gott für uns gestorben und auferstanden ist, um uns zu retten.
  • Wir loben ihn, dass er so groß ist und dass er in seiner Größe uns doch so nahe kommt – ganz besonders in diesen Zeiten.
  • Wir bitte um Glauben, der uns dieser Tage durchträgt, als Grundlage für ein Leben, das nicht mit dem Tod endet.

Mitnehmsel: Singen wir mit Manfred Siebald:
„Von deinem Worten können wir leben, durch deine Worte weitersehn. Mit deinen Worten können wir sterben und auf dein Wort hin aufersteh’n.“

Praytime 18

von Monika Kümmerer

Auch heute Abend sind wir wieder eingeladen miteinander zu beten.

Wer das möchte, kann zu Beginn dieser Zeit in der Gegenwart Gottes wieder als

Zeichen seiner Nähe eine Kerze anzünden…,

und dann zunächst ein paar Augenblicke in Ruhe aus- und einatmen….;

wir befinden uns nach dem Kirchenjahr gerade in der Pfingstzeit,

dem Fest, an dem wir den Geist Gottes in der Kirche, in unserem Leben

und in dieser Welt feiern.

Wo haben wir ihn in den letzten Tagen in besonderer Weise erlebt, gespürt?

Wo haben wir ihn schmerzlich vermisst?

In einer Sequenz von Stephen Langton (1150 – 1228) finden sich viele Anregungen

ins Gebet zu kommen, in Bitte, Fürbitte, in der Anbetung.

Ich lade euch ein, euch nun von diesem Gebet und dem Geist Gottes in dieser Gebetszeit leiten zu lassen:

Ref: O komm herab, du heiliger Geist, der finstre Nacht zerreißt,

strahle Licht in diese Welt, komm, der jedes Herz erhellt.

  1. Komm, der alle Armen liebt, komm, der gute Gaben gibt, komm, der jedes Herz erhellt.
  2. Höchster Tröster in der Zeit, Gast, der Herz und Sinn erfreut, köstlich Labsal in der Not,
  3. in der Unrast schenkst du Ruh´, hauchst in Hitze Kühlung zu, spendest Trost in Leid und Tod.
  4. Komm, o du glückselig Licht, fülle Herz und Angesicht, dring´bis auf der Seele Grund.
  5. Ohne dein lebendig Weh`n, kann im Menschen nicht´s besteh`n, kann nicht´s heil sein noch gesund.
  6. Was befleckt ist, wasche rein, Dürrem gieße Leben ein, heile du, wo Krankheit quält.
  7. Wärme du, was kalt und hart, löse, was in sich erstarrt, lenke, was den Weg verfehlt.
  8. Gib dem Volk, das dir vertraut, das auf deine Hilfe baut, deine Gaben zum Geleit.
  9. Lass es in der Zeit besteh’n, deines Heils Vollendung seh’n und der Freuden Ewigkeit.

Abschlußgebet:

Abend ward, bald kommt die Nacht, schlafen geht die Welt,

denn sie weiß, es ist die Wacht, über ihr bestellt.

Einer wacht und trägt allein, unsere Müh und Plag,

er läßt keinen einsam sein,weder Nacht noch Tag.

Jesus Christ, mein Hort und Halt, dein gedenk ich nun,

tu mit Bitten dir Gewalt, bleib bei meinem Ruhn.

Wenn dein Aug ob meinem wacht, wenn dein Trost mir frommt,

weiß ich dass auf gute Nacht, guten Morgen kommt!

Amen.

Praytime 17

Die Stille

Sie ist manchmal schwer auszuhalten, die Stille. Zu bedrohlich ist sie uns. Zu reduziert sind wir, auf uns selbst, auf das einfache Dasein. Ohne etwas zu tun, zu sagen. Ist es genug für uns, einfach zu sein?

Die Stille ist manchmal schwer zu finden. Zu schnell wird sie durchbrochen: Vom Smartphone-Piepen, den Verkehrsgeräuschen, den Nachbarn, vom Gedankenkarussell. Zu viele Stimmen, im Radio, im Fernsehen, in den Straßen, in uns.

Was hörst du in der Stille? Wenn du selbst keine Geräusche machst?

Ich höre Vogelstimmen, Autos, Flugzeuge und Rasenmäher. Den Wind.

Still sein heißt nicht nur nichts sagen oder tun. Stille heißt auch: der Stille lauschen.

Die Stille ist nicht nur ein Geräusch, sie ist auch ein Zustand. Stille im Inneren, in Gedanken und Bäuchen.

In der Stille können wir Gottes Stimme lauschen. Wir müssen keine großen Worte machen, nicht alles aufzählen aus unserem Geräusch-vollen Alltag.

Die Stille ist eine andere Art der Fülle, denn sie kann uns erfüllen. Mit neuer Kraft, einem Guten Gedanken, einem Wort von Gott. Und doch ist das, was die Stille uns zu sagen hat, leicht zu überhören.

Die Stille ist ein Geschenk. Das Geschenk kann man langsam auspacken. Und viel Zeit mit ihm verbringen. Ein paar Minuten, oder auch ein paar mehr. Ohne Eile und nicht zu lange. Versuch es einfach. Ein paar Minuten, oder die ganze Viertelstunde.

Die heutige Praytime kann ein Versuch sein, die Stille einzuladen, auszuhalten, an ihr festzuhalten. Gib dich ihr hin, heiße die Ablenkung nicht willkommen, sondern sei ganz still. Schließe die Augen, vielleicht hilft das, und lausche der Stille, lausche Gott. Ohne viele Worte. Nur mit einem „Hier bin ich“ am Anfang und mit „Amen“ am Schluss.

Viel Segen dazu und davon!

Pastorin Almuth Zipf

Gott schreibt uns was Tolles ins Herz

Impuls zu Jeremia 31,31-34 von Pastor Markus Bauder

Sonntag, 24.05.2020 Esslingen

Auch als Podcast abrufbar hier klicken

24.05.2020 – wir beginnen in Hegensberg und Berkheim mit öffentlichen Gottesdiensten. Nach Corona. Ein kleiner Neuanfang. Durchaus bedeutsam. Was sagt man da?

Mir sind im Vorfeld sehr viele Gedanken durch den Kopf gegangen.

Jeremia 31,31-34 (Zürcher Bibelübersetzung)

31 Sieh, es kommen Tage, Spruch des HERRN, da schließe ich einen neuen Bund mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda, 

(32 nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vorfahren geschlossen habe an dem Tag, da ich sie bei der Hand nahm, um sie herauszuführen aus dem Land Ägypten; denn sie, sie haben meinen Bund gebrochen, obwohl doch ich mich als Herr über sie erwiesen hatte! Spruch des HERRN.)

33 Dies ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel schließen werde nach jenen Tagen, Spruch des HERRN: Meine Weisung habe ich ihre Mitte gegeben, und in ihr Herz werde ich sie ihnen schreiben. Und ich werde ihnen Gott sein, und sie, sie werden mir Volk sein.

34 Dann wird keiner mehr seinen Nächsten und keiner seinen Bruder belehren und sagen: Erkennt den HERRN! Sondern vom Kleinsten bis zum Größten werden sie mich alle erkennen, Spruch des HERRN, denn ich werde ihre Schuld verzeihen, und an ihre Sünden werde ich nicht mehr denken.

Als ich den Text beim alten Propheten Jeremia gelesen habe – es ist der vorgeschlagene Predigttext für den heutigen Sonntag – hab ich mich sofort angesprochen gefühlt.

Weil es um einen Neuanfang geht…

Weil es, auch wenn das nicht ausdrücklich so gesagt wird, um den Geist Gottes geht…

Weil der einzelne Mensch in seiner Würde und Achtung gestärkt wird…

Weil mich der Gedanke fasziniert, dass Gott bei mir oder bei dir etwas ins Herz schreibt…

Quasi an den Ort, wo etwas in unserem Leben nicht mehr wirklich gelöscht werden kann…

Ich hab mich gefragt, ob man das, was Gott schreibt, auch lesen können muss? Und wie das geht?

Und dass das, was Gott schreibt, der Kern des Evangeliums ist: „ich werde ihre Schuld verzeihen und an ihre Sünden nicht mehr denken.“ 

Ist das nicht genial? Gott sagt nicht: pass auf, kleines Auge, was du siehst…“, sondern „ich werde deine, ihre Schuld verzeihen und an ihre Sünden nicht mehr denken.

Das ist es, was Gott uns ins Herz schreibt. Und was Jesus dauernd gesagt und getan hat.

Steht schon im Alten Testament.

Und niemand soll mehr den anderen belehren und ihm vorschreiben, was er von Gott denken, glauben und sagen soll.

Das wär schön.

Eine Freiheit des Denkens, Redens und Lebens…

Das ist ein schöner Einstieg nach einer bösen Zeit.

Und vielleicht auch ein guter Gedanke für einen Abschied.

Weil es mir doch genau um diesen Gedanken geht: Gott befreit und entlastet. Gott meint es gut mit dir und mir.

Und es ist Gott, der selbst schreibt. Gott kümmert sich selbst darum, wir müssen es nicht selbst, oder gar für Gott machen…

Und damit habe ich eigentlich schon alles gesagt, was mir zu diesem Text heute wichtig geworden ist.

Aber ich wiederhole mich gern 😉 Und führe es noch ein bisschen aus, denn bei jedem einzelnen Gedanken, den ich gerade gesagt habe, kann man noch unendlich weiterdenken…

Zum Beispiel ist ein Neuanfang zwar ein bestimmter Moment. Ein Datum wie der 24.5.. Aber dann auch wieder nicht. Wir planen ja schon seit Wochen. Der Neuanfang hat längst begonnen, bevor er begonnen hat.

Oder dass dieser Neuanfang im Bibeltext eine bestimmte Qualität hat. Den Punkt setzt Gott. Der Neuanfang geht damit einher, dass Gott etwas in unsere Herzen schreibt. Also kann so ein Neuanfang immer sein. Und bei jedem anders. Und ist gar nicht an ein bestimmtes Datum gebunden. Hängt vielleicht sogar von unseren Lesefähigkeiten ab…?

Und dann schreibt Gott in unser Herz. Den Kern unseres Lebens. Dorthin, wo unser Leben ist. Psychologen sagen, dass das, was in unserem Herzen ist, oft mit sehr starken Gefühlen verbunden ist. Sich eingegraben und festgesetzt hat. Im schlechten Fall ein Trauma oder ein böser Teufelskreis, in den wir immer wieder geraten. Im guten Fall etwas, das uns helfen kann, selbst die schwierigsten Situationen unseres Lebens zu meistern. Eine Kraft, ein Segen, der uns immer wieder aufrichtet. 

Dorthin, wo die Mitte unseres Lebens ist, schreibt Gott…

… dass er „unsere Schuld wegnimmt und an unsere Sünden nicht mehr denkt“. 

In jüngeren Jahren und früheren Zeiten ist mir noch nicht so richtig bewusst gewesen, dass das eigentlich das Hauptproblem von uns Menschen ist. Mit der Verantwortung für das, was wir getan und wie wir gelebt haben, fertig zu werden. Und damit sogar sterben zu können.

Wären wir nur Tiere würden wir uns darüber gar keine Gedanken machen. Aber wir sind nicht einfach wie die Tiere. Wir beeinträchtigen mit unserem Handeln die Erde und das Leben massiv. Oft genug schonen wir weder die Erde noch unsere Mitmenschen. Dauernd machen wir uns schuldig.

Wir reden uns das nicht nur ein. Irgendwelche albernen oder falschen Schuldgefühle. Nein, wir sind es wirklich. Und fast immer lässt sich das gar nicht vermeiden. Oder kaum. Wir können uns bemühen. Aber es wird uns nicht gelingen.

Eltern machen sich an Kindern schuldig. Kinder an ihren Eltern. Wir machen uns an der Erde schuldig. Ständig versuchen wir uns zu rechtfertigen: ich hatte keine Wahl. Das war meine Erziehung. Ich hab Unterzucker. Ich habs nicht besser gewusst. Ich kann nichts dafür. Ich wars nicht.

Dabei wissen die meisten von uns, dass wir uns mit diesen Rechtfertigungsversuchen etwas vormachen. Wir, jeder von uns, ist auf seine Weise verantwortlich für den Zustand der Erde, das Schicksal der Tiere und Pflanzen und unsere Mitmenschen. Jeder.

Aber dass ausgerechnet wir Christen das immer so betonen, hat dazu geführt, dass unsere Mitmenschen das Christsein als die Religion wahrnimmt, die die Menschen einengt und permanent klein macht. Ihr seid schuldig!

„Sündige tapfer“ hat Martin Luther mal gesagt und damit gemeint, dass wir nicht mutwillig Schuld auf uns laden sollen, aber uns auch bewusst sein müssen, dass es das Los von uns Menschen ist schuldig zu sein.

„… dass er unsere Schuld wegnimmt und nicht mehr an unsere Sünden denkt.“ Gott, der Schöpfer unseres Lebens befreit uns von unserer Last.

Jesus Christus ist dafür sogar in den Tod gegangen.

Alles erledigt. Sei frei. Und aufrecht. Leben dein Leben. Freudig. Tapfer. Gelassen. Gnädig mit allen. Auch mit dir selbst. Und mit Gott, der dich ja sowieso umgibt wie die Luft zum Atmen.

Bei diesem Gott bist du gut aufgehoben. In Zeit und Ewigkeit.

Das ist die eigentliche Botschaft. Und es ist eine tolle Botschaft. Ein Evangelium. Ein gutes Schlusswort…

Oder ein gutes Wort für einen Neuanfang.

Oder für meine letzte Predigt auf dem Hegensberg. 

Eine meiner Vermutungen ist, dass man auch als Christ Leseschwierigkeiten haben kann. Denn, so verstehe ich das, Jesus Christus oder Gott hat diese befreienden Worte schon lange in unser Herz geschrieben. Aber sie sind irgendwie verschüttet oder wir haben Leseschwierigkeiten.

Weil halt auch niemand wollen kann, dass wir Menschen diese gute Botschaft als Freibrief fürs „sündigen“ verstehen will und kann. Wir sollen unserer Verantwortung ja gerecht werden und möglichst gut und richtig leben.

Und so verstehe ich mich in meiner Aufgabe als Pastor oft als jemand, der anderen helfen will, diese Botschaft im eigenen Herz zu finden. Oder sich zeigen zu lassen. Und als jemand, der anderen beim Lesen dieser Botschaft hilft.

Kann man dieser Botschaft tatsächlich trauen, dass Gott „unsere Schuld verzeiht und an unsere Sünden nicht mehr denkt“? Das er unseren guten Willen sieht und auch akzeptiert, wenn wir es nicht schaffen? 

Ja, man kann. Dazu lädt Jesus Christus ein. Das heißt Christsein. Dieser guten Nachricht Gottes trauen und sie im eigenen Leben annehmen und an andere weitergeben. 

Und das wünsche ich Dir und Euch, dass es Dir und Euch gelingt, diese Botschaft immer wieder durchzubuchstabieren und sie in das eigene Leben hineinwirken lassen.

Dazu segne Dich Gott.

Zum Schluss noch ein Text von Hanns Dieter Hüsch:

„Lachen und Weinen halten den Menschen am Leben

Und halten ihn nicht nur am Leben, sondern bewegen ihn auch, nicht aufzugeben, nicht bitter zu werden, erfinderisch zu sein, andere verstehen zu lernen, einen Platz anzubieten, vielleicht auch eine Suppe und Brot, Wärme zu verschenken. – Es könne Christus selbst sein, der um Aufnahme bittet.

Und wer dies sich wirklich vorstellen kann, hat alle Gewalt besiegt. Erlebt den Triumpf des Glaubens. Und heilt den Frieden.

Auf dass Gottes Erde Heimat wird für alle Welt.“

Amen

(aus: Michael Blum und Hanns Dieter Hüsch, Das kleine Buch zum Segen, tvd-Verlag7. Auflage 2002)

Praytime 16: Zoom out

Von Stefan Harrer

Was soll das? Zufällig findet Frau Händel auf dem Küchentisch eine Seite aus dem Oratorium, an dem ihr Mann gerade arbeitet – und die enthält nur einen Takt, nur in Moll! Gar nicht gut klingend, findet sie. Was hat er sich nur dabei gedacht? Na, zu diesem misstönenden Fragment wird sie ihren Georg Friedrich mal ins Gebet nehmen müssen, denn eigentlich ist er doch gar kein so schlechter Komponist…

Finde ich übrigens auch, denn das Oratorium „Der Messias“ mit mehr als 200 Seiten ist ein Meisterwerk Georg Friedrich Händels und gehört bis heute zu den populärsten Werken geistlicher Musik des christlichen Abendlandes. Aber fühlen wir uns nicht auch wie Frau Händel dieser Tage? Diese dissonanten Corona-Molltakte machen doch keinen Sinn, oder? 

Vergessen wir aber dabei nicht, dass unsere Perspektive wie durch ein Schlüsselloch ist: wir sehen nur einen kleinen Ausschnitt. Erahnen wir, dass es eine Erklärung für diese Zeit geben könnte, die wir einfach noch nicht kennen oder erfassen können? Lassen wir vielmehr dem Komponisten dieser himmlischen Symphonie sein Werk fortschreiben und vertrauen ihm. Gewiss, es wird darin gute Tage geben, wie auch mollig schwergängige. Aber Gott ist in all unseren Tagen gegenwärtig und er gebraucht beides, hoch und tief, hell und dunkel, um sein Kunstwerk zu malen, seine liebevollen Pläne zu vollenden. Verändern wir unser Perspektive und versuchen wir, durch seine Augen zu blicken: zoomen wir aus dem Detail ins große Ganze. Wir sehen nur einen Takt, Gott sieht die ganze Sinfonie mit der kommenden Herrlichkeit des Himmels als Schlusstakt.

Gebetszeit: auf Psalmweg No. 5 wandeln…

  • …Herr, höre meine Worte, mein Seufzen, mein Flehen, mein Bitten, mein Rufen…

Bringen, wir vor Gott, was unser Herz eng macht, unausgesprochen oder ausgesprochen, geben wir unsere Sorgen an Gott in einem Sorgenübergabevertrag ab. Zeigen wir nicht Gott, wie groß unsere Probleme sind, sondern unseren Problemen, wie groß unser Gott ist.

  • …Doch mir erweist du große Güte, du hast einen Plan für mein Leben…

Reden wir voll Freude, über Gottes Güte, und erinnern uns an all die guten Dinge, die er in unserem Leben geschehen lässt und danken wir dafür. Blicken wir auf die noch ungehobenen Schätze seiner Verheißungen.

  • …Freuen sollen sich alle, die sich auf dich verlassen, schützend umgibt sie deine Liebe…

Tauchen wir in Gottes Frieden ein: Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn.

Mitnehmsel:

Die CD „Der Messias“ auflegen und in christliche Heilsgeschichte eintauchen, beginnend mit alttestamentlichen Prophezeiungen, dem Leben Jesu, als Erfüllung der Prophezeiungen und sein erhofftes zweites Kommen: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebet!“

woher? wo? wohin?

hier geht es zum Podcast… https://emk-esslingen.de/podcast/

Bibeltext: Psalm 139,1-14

Impuls zu einer Zeichnung von Paul Klee. Sie findet sich z.B. unter diesem Link.

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Paul_Klee_~_woher%3F_wo%3F_wohin%3F_~_1940.jpg

Seht euch das Bild an. Es ist ein Bild von Paul Klee, von 1940. Das war sicher auch eine Zeit in der vieles Verschoben war, schlimmer als jetzt für viele damals. Aber das soll kein Wettbewerb sein.

Das Bild hat den Titel: „woher? wo? wohin?“

Die Gestalt sieht gehend aus. Sie ist in Bewegung, nicht nur von A nach B, sondern sie scheint auch „in sich selbst“ in Bewegung zu sein. Ihre Konturen haben sich verschoben, sie wirkt fast ein bisschen entstellt. Sie scheint sich grade zu verändern. Sich neu zu ordnen. Vielleicht wird sie dann wieder glatt und rund sein, aber wahrscheinlich behält sie viele Ecken und Kanten.

Bei diesen drei Fragen, die das Bild stellt, geht es vielleicht nicht nur um einen Weg oder ein Dasein, es geht auch um die Zeit. Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind Versuche solche Fragen zu beantworten. Was war? Was ist jetzt? Was wird in Zukunft sein? Woher kommen wir? Wo befinden wir uns? Wohin gehen wir?  Diese Fragen gab es immer schon. Aber besonders jetzt, in dieser Situation.

Das Bild passt in unsere Zeit.

Die Gestalt ist verschoben.

Auch wir leben in verschobenen Zeiten.

Wie steht es also um diese drei Fragen? Sie sind so simpel wie schwierig – und eine Antwort ist höchstens ein Versuch. Vielleicht ist ein Antwortversuch auch ganz falsch und man kann sowieso nur Beschreiben und Schauen und dann Nachspüren, wie es uns damit geht, welche Gedanken das auslöst, was das „mit einem macht“. So wie immer bei der Kunst.

Woher?

Aus einer Welt und Zeit in der immer mehr gehen muss, immer schneller. Die Wirtschaftsglobalisierung ist das meistschlagende Argument. Menschen und Natur werden ausgebeutet, abgestellt, übergangen. Ein Urteil über diese Art des Wirtschaftens muss vernichtend ausfallen. Dabei ist es diese Art zu Wirtschaftens selbst schon: vernichtend.

Aber wir kommen auch aus einer Zeit und Welt, die gewohnt für uns war. Die Schön war. Manchmal sogar Selbstbestimmt. Wir konnten unser Leben gestalten, jedenfalls zu einem Teil. Manche mehr als jetzt, andere weniger. Wir kommen aus einer Zeit, der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten.

Wir kamen aus einer Zeit voller Schönheit und Stress, voller Geschwindigkeit, voller Fülle und Freude und Terminen und Unbeschwertheit und Sorgen und Endlosigkeiten.

Woher kamst du?

Wo?

Wo sind wir jetzt, das ist sonst sehr klar, aber vieles kommt uns gerade vielleicht etwas surreal und komisch vor. So eben, wie diese Gestalt. Mir geht es so, dass ich mindestens zwei Herzen in mir schlagen höre, dass sich meine Sehnsucht in verschiedene Richtungen bewegt. Vielleicht könnten die verschiedenen Farben der Figur für diese unterschiedlichen und teilweise gegensätzlichen Bedürfnisse, Gefühle, Gedanken, Sehnsüchte stehen.

Manches was mal wichtig war, ist jetzt egal, anderes was selbstverständlich war, wird schmerzlich vermisst. Ja und dann ist diese Gestalt eine Einzelne. Ist da ein Mitmensch, ist da Gott?

Der Alltag hat sich verschoben. Das Leben auch. Es gibt neue Chancen und Risiken, Möglichkeiten und Gegebenheiten.

Wo bist du?

Wohin?

Die alles entscheidende Frage ist wohl: Wohin richten wir unser Wo jetzt aus? Wohin werden wir uns wenden? Wohin gehen?

Sind wir auf „dem“ Weg zurück zur Normalität?  Welche neuen Wege werden wir gehen? Den der Solidarität zum Beispiel? Das wäre schön!

Corona soll nicht für immer unser Leben bestimmen und die Gedanken füllen. Es gibt noch so viel mehr. Wir können neu überlegen, während wir uns neu ordnen: Was soll unser Leben und Dasein bestimmen?

Wir haben jetzt die Möglichkeit, das Leben neu uns gut zu gestalten. Prioritäten richtig zu setzen, Zeit zu nutzen. Wir alle müssen uns daran beteiligen!

Wohin willst du?

Zum Geleit auf den Weg und in die Zeit:

Ist es nicht spannend, dass wir grade eigentlich genauso viel über die Zukunft wissen, wie sonst auch schon immer? Nämlich nichts Genaues?

Nur wird jetzt die Zukunft weniger berechenbar. Wir können nicht mehr damit rechnen, dass alles seinen gewohnten Gang geht, oder dass alles „wie immer“ ist. Was in vier Wochen oder gar einem halben Jahr sein wird, das können wir grade nur vermuten.

Es gibt eine Erfahrung, die wir jetzt besonders brauchen, sie uns vielleicht auch wünschen: dass wir nicht allein und hilflos sind.

Ich würde es so sagen:

Dass Gott da, wohin es geht, schon auf uns wartet. Dass er da ist und mitgeht. Jeden unserer Schritte. Das ist die Verheißung die in Psalm 139 beschrieben wird. Das ist ein Tröstlicher und Motivierender Gedanke, besonders für die, die sich so verschoben fühlen, wie die Zeichnung von Paul Klee.

Der 139. Psalm beantwortet die drei Fragen dieses Bildes von Paul Klee übrigens auch:

Woher? Von Gott her, kommen wir und sind wir. Er hat jede*n Einzelne*n und die Welt geschaffen. Er hat uns wunderbar gemacht. Wunderbar ist alles was Gott macht und Gott war immer schon da.

Wo? Gott ist da, ist dabei, er ist gegenwärtig an jedem Ort, an dem ein Mensch sein kann. Egal wie gesund oder krank, wie verzweifelt oder froh über die Lage. Selbst wenn wir Gott nicht spüren oder uns verlassen fühlen: Gott ist da. Überall.

Wohin? Wohin der Weg und die Zeit auch führt, Gott wird da sein. In jeder Zukunft und an allen Orten bleibt Gott bei einem Menschen und begleitet ihn. Denn Gott gibt uns Zukunft und schenkt und Gegenwart und Geschichte: kurz: Gott läuft mit offenen Armen auf uns zu.  

Egal wohin wir gehen und wie wir die neue Zeit gestalten, was auch in Zukunft passiert, Gott ist und bleibt bei uns. Vielleicht täte es dieser Gestalt auf dem Bild gut, Psalm 139 zu beten, in all der Veränderung und der in allem Neuen. Vielleicht tut es uns auch gut.

Amen.

P.S. ich lade dazu ein, sich eine Karte (und etwas Zeit) zu nehmen und die eigenen Beobachtungen und Gefühle zu woher, wo, wohin darauf festzuhalten. Was willst du beibehalten, was hat diese Gegenwart dir gezeigt, für die Zukunft? Was hatte die letzte Zeit an Schönem für dich? Was ist dir (noch) wichtiger geworden? Woher? Wo? Wohin? Halte deine Gedanken fest! Leg sie vor Gott aus. Viel Segen dafür, dabei, daher wünsche ich Dir!

Pastorin Almuth Zipf

Praytime 15: Das Beste, was uns passieren kann…

Von Uwe Wild

Vielleicht habt ihr diese Werbung ja auch gesehen, die gerade
viele Bushaltestellen und Bahnsteige ziert:
„Was ist das Beste, was passieren kann?“
Wer da wirbt ist „Lotto Baden-Württemberg“ – ich gehe mal 
davon aus, dass damit also der Jackpot gemeint ist.
Das Beste, was passieren kann, soll heißen, den Jackpot zu 
knacken und einen Haufen Geld zu gewinnen.

Vielleicht wurde diese Werbung ja schon in Vor-Corona-Zeiten
konzipiert. Wenn ich das heute lese, habe ich den Eindruck, 
dass dieses Plakat etwas aus der Zeit gefallen ist.
Was haben wir denn in den letzten Wochen Lockdown erfahren
und gelernt?
Das Beste, was uns passieren kann ist:
– dass jemand an uns denkt und anruft oder eine Nachricht schickt.
– dass jemand für uns einkauft, wenn wir selbst zuhause bleiben müssen.
– dass wir Menschen, die uns wichtig sind, wieder in den Arm nehmen können.
– dass wir wieder gemeinsam Gottesdienst feiern, singen und beten können
– dass wir gemeinsam nebeneinander in der Bank sitzen und auf Gottes Wort hören können.
– dass…. (hier könnt ihr ergänzen, was euch in den letzten Wochen wichtig wurde)

Jesus sagt in Mt. 6, 31 + 32
„Sorgt euch also nicht und sagt nicht: Was werden wir essen? Oder: Was werden wir trinken? Oder: Was werden wir anziehen? Denn um all das kümmern sich die Heiden. Euer himmlischer Vater weiß nämlich, dass ihr das alles braucht.“

Vielleicht erinnert uns diese Pandemie daran, was wirklich wichtig ist in unserem Leben. Vielleicht rückt es die Prioritäten in unserem Leben zurecht. Vielleicht ist es ein Moment der Selbstbesinnung, was das Leben lebenswert macht. Dann kann diese Bedrohung der Menschheit auch eine positive Seite entfalten.

Wir beten:        Herr, lehre uns Dankbarkeit für die vielen guten Dinge, die wir erfahren haben.
Deine Fürsorge und die Nähe der Menschen um uns herum macht unser Leben
reich und wertvoll.
Lass uns die Menschen nicht vergessen, die unsere Fürsorge benötigen.
Amen.

Praytime 14: Verunsicherung

von Markus Bauder

Impuls: Menschen demonstrieren gegen die Coronavorschriften. Zu einem Zeitpunkt, an dem diese bereits wieder gelockert werden. Menschen glauben Verschwörungsmythen und glauben allen Ernstes an eine Weltverschwörung. Womöglich noch angeführt von Bill Gates? Oder eine angebliche Impfpflicht mit einem unsicheren Medikament?
Was darf man jetzt eigentlich noch? Oder schon wieder? Maske und 1,5m scheinen klar (oder doch 2m?), aber alles andere…?
Wieder steigende Infektionszahlen… Musste man damit jetzt rechnen oder nicht?
Mit wie vielen Personen darf ich jetzt zuhause Kaffee trinken? Oder in einem Auto sitzen?
Die Methodisten dürfen singen im Gottesdienst, aber „nicht zu lange“ 😉 … Sind drei Strophen pro Lied erlaubt oder nicht?
Und was bedeutet es, wenn man zwar eine „notwendige“ Sitzung in der Kirche machen darf (mit Abstand und ohne Mund-Nase-Schutz), aber nach dem Gottesdienst nicht „zusammenstehen“ soll.

Die Welt war klarer als noch alles verboten war…
Ich nehme bei mir und anderen gerade eine deutliche Verunsicherung wahr. Mit den Lockerungen ist alles unklarer geworden. Und vermutlich ungerecht und ungleich.

Ich gebe dafür niemand die Schuld außer, dass ich denke, dass sich mit dieser Situation alle schwer tun. Ich selber auch. Irgendwie wartet man darauf, dass einem jemand ganz genau erklärt, was man jetzt tun soll / darf und was nicht. So als ob das jemand wirklich ganz genau wüsste…

Mir hat die Losung der Herrnhuter vom gestrigen Sonntag gut getan: „Tu, was dir vor die Hand kommt; denn Gott ist mit dir“ (1. Sam 10,7). Und der neutestamentlich Lehrtext: „Der Herr aber wird dir in allen Dingen Einsicht geben“ (2. Tim 2,7).
Nur Mut, habe ich mir sagen lassen. Gehe einfach deinen Weg. Vernünftig und mit Bedacht. Gott begleitet dich und führt dich durch die Verunsicherung.
Die Liedstrophe hat das auch noch unterstützt: All mein Tun und all mein Lassen sei dir, Herr, anheim gestellt. Führe mich auf rechter Straßen, machs mit mir wie dirs gefällt. Schenk zur Arbeit rechten Fleiß, lehre mich, was ich nicht weiß, zeige mir, was ich nicht sehe, leite mich, wohin ich gehe. (BG 909.1)

Lasst uns danken für all das, was wir klar sehen.
Lasst uns beten für alle, die verunsichert sind und sie vor Gott bringen. Einschließlich uns selbst.
Lasst uns Gott danken, dass er uns solche Worte zusagt und uns auf unserem Weg begleitet.

Ab dem 12.05. gibt es nur noch jeden Freitag einen neuen Impuls für „Aus Primetime wird Praytime“.

Wovon wir leben …

Sonntag, 10.05.2020 (Muttertag)

Impuls zu Matthäus 4,4; von Pastor Markus Bauder

Auch als Podcast abrufbar hier klicken

Kann man von Liebe länger leben als von Wasser und Brot?

Vielleicht kennt Ihr ja die Geschichte von Rainer Maria Rilke, dem Dichter:

Gemeinsam mit einer jungen Französin kam er um die Mittagszeit an einem Platz vorbei, an dem eine Bettlerin saß, die um Geld anhielt. Ohne zu irgendeinem Geber je aufzusehen, ohne ein anderes Zeichen des Bittens oder Dankens zu äußern als nur immer die Hand auszustrecken, saß die Frau stets am gleichen Ort. Rilke gab nie etwas, seine Begleiterin gab häufig ein Geldstück. Eines Tages fragte die Französin verwundert nach dem Grund, warum er nichts gebe, und Rilke gab ihr zur Antwort: „Wir müssen ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand.“ Wenige Tage später brachte Rilke eine eben aufgeblühte weiße Rose mit, legte sie in die offene, abgezehrte Hand der Bettlerin und wollte weitergehen.

Da geschah das Unerwartete: Die Bettlerin blickte auf, sah den Geber, erhob sich mühsam von der Erde, tastete nach der Hand des fremden Mannes, küsste sie und ging mit der Rose davon.

Eine Woche lang war die Alte verschwunden, der Platz, an dem sie vorher gebettelt hatte, blieb leer. Vergeblich suchte die Begleiterin Rilkes eine Antwort darauf, wer wohl jetzt der Alten ein Almosen gebe.

Nach acht Tagen saß plötzlich die Bettlerin wieder wie früher am gewohnten Platz. Sie war stumm wie damals, wiederum nur ihre Bedürftigkeit zeigend durch die ausgestreckte Hand. „Aber wovon hat sie denn all die Tage, da sie nichts erhielt, nur gelebt?“, frage die Französin. Rilke antwortete: „Von der Rose . . .“

Von der Rose … leben …

Vielleicht habt Ihr schon von Menschen gehört, die in einer lebensbedrohlichen Notlage waren und nach ihrer Rettung erzählt haben, dass sie unter anderem deshalb überlebt haben, weil jemand auf sie wartete, den sie liebten.

Kann man von Liebe leben? Hält einen Liebe länger am Leben als Brot und Wasser? Kann man von einer Rose leben?

Als Jesus am Beginn seines öffentlichen Wirkens lange Zeit in der Wüste war, litt er extremen Hunger. Der Versucher trat an ihn heran und wollte ihn zu einem Wunder überreden: Du kannst doch aus Steinen Brot machen.

Jesus widersprach mit den Worten: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.

Worte aus dem Mund des Gottes, von dem es in der Bibel heißt, dass er die Welt erschaffen hat. Durch seine Worte.

Und den Menschen erschaffen hat. Durch seine Worte. Und ihn am Leben erhält durch seine Worte. Und durch seine Liebe. Heißt es in der Bibel.

Was ich nicht will, ist Brot gegen Worte oder Liebe ausspielen. So als ob Menschen eigentlich nichts zu essen brauchen. Das kann sehr schnell sehr zynisch sein. Vor allem dort, wo so etwas reiche, satte Menschen zu ärmeren, hungrigen sagen. Wo Ungerechtigkeit herrscht. Von Luft und Liebe allein kann man natürlich nicht leben. Und zu wenig Brot und sauberes Wasser ist eben zu wenig.

Selbstverständlich braucht unser Körper genügend Essen und vor allem Wasser, um überhaupt überleben zu können. Um zu funktionieren. Um zu existieren. Sogar für unsere Seele ist Essen und Trinken wichtig. Hunger wirkt sich auf unsere Laune aus. Wer zu wenig getrunken hat, wird nach einem Schluck Wasser merken, dass die Lebensgeister zurückkehren und er sogar besser denken kann.

Rilke hat gesagt: „wir müssen ihrem Herzen schenken“. Das meint, dass wir Menschen Wertschätzung, Liebe und echte Aufmerksamkeit brauchen, um leben zu können. Natürlich brauchen wir auch Nahrung, Geld und andere materielle Mittel zum Leben. Aber sie genügen nicht. Das Herz eines anderen anzurühren oder gar zu sättigen, ist genauso wichtig für unser Leben.

Gott ist derjenige, der nicht nur unser Herz sieht, sondern es auch anrührt. Zum Beispiel in Form von Worten der Bibel. „Ich habe dich je und je geliebt. Ich habe dich zu mir gezogen aus lauter Güte, du bist mein.“

Oder durch Töne und Musik.

Oder durch Liedtexte.

Achte auf das, was Dir heute begegnet. Auch Blumen, Bäume, Vögel können zu Mitteln werden, mit denen Gott unser Herz erreicht.

Oder andere Menschen erreichen unser Herz. Auf gute und liebende Weise.

Wenn Du gerade in einer Kirche bist und diese Worte hörst oder liest – schau dich um und nehme wahr, dass Gott dich hier durch ganz unterschiedliche Dinge ansprechen will. Dein Herz erreichen will.

Um dir zu zeigen, zu sagen oder dich spüren zu lassen: Du bist geliebt. Bis in alle Ewigkeit.

Heute ist Muttertag. Der Tag, an dem wir alle daran erinnert werden, dass wir eine Mutter haben und sie es war oder ist, die uns zum ersten Mal im Leben Beziehung und, hoffentlich, Liebe geschenkt hat. Nicht nur Nahrung, sondern das, was unser Herz erreicht hat. In unseren Müttern wird sichtbar, was Gott sein will: derjenige, der unserem Leib Leben geschenkt hat, aber auch derjenige, der unser Herz nährt. Indem er uns liebt, wertschätzt, achtet und würdigt.

Die Rose, die sich heute jede und jeder in der Kirche mitnehmen darf, soll uns daran erinnern und diesen Gedanken in uns wachhalten. Wenn Du jemanden hast, dem Du eine Rose weitergeben kannst, nimmst Du eine mehr mit.

Ich wünsche Dir, dass Dir heute viele Zeichen dieser Liebe begegnen und lade Dich ein, diese Zeichen der Liebe und gegenseitigen Wertschätzung auch weiterzugeben.

An deine Mutter, aber auch an andere Menschen.

Auch wenn eine Rose Brot und Wasser nicht ersetzt, so nährt sie doch unsere Seele und unser Herz und schenkt uns Kraft. Kraft zum Leben, zum Aushalten, zum Wiederlieben. Freude und Zufriedenheit, Mut für Entscheidungen. Darüber haben manche sogar essen und trinken vergessen…

Gott segne dich. Amen