Gott schreibt uns was Tolles ins Herz

Impuls zu Jeremia 31,31-34 von Pastor Markus Bauder

Sonntag, 24.05.2020 Esslingen

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24.05.2020 – wir beginnen in Hegensberg und Berkheim mit öffentlichen Gottesdiensten. Nach Corona. Ein kleiner Neuanfang. Durchaus bedeutsam. Was sagt man da?

Mir sind im Vorfeld sehr viele Gedanken durch den Kopf gegangen.

Jeremia 31,31-34 (Zürcher Bibelübersetzung)

31 Sieh, es kommen Tage, Spruch des HERRN, da schließe ich einen neuen Bund mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda, 

(32 nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vorfahren geschlossen habe an dem Tag, da ich sie bei der Hand nahm, um sie herauszuführen aus dem Land Ägypten; denn sie, sie haben meinen Bund gebrochen, obwohl doch ich mich als Herr über sie erwiesen hatte! Spruch des HERRN.)

33 Dies ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel schließen werde nach jenen Tagen, Spruch des HERRN: Meine Weisung habe ich ihre Mitte gegeben, und in ihr Herz werde ich sie ihnen schreiben. Und ich werde ihnen Gott sein, und sie, sie werden mir Volk sein.

34 Dann wird keiner mehr seinen Nächsten und keiner seinen Bruder belehren und sagen: Erkennt den HERRN! Sondern vom Kleinsten bis zum Größten werden sie mich alle erkennen, Spruch des HERRN, denn ich werde ihre Schuld verzeihen, und an ihre Sünden werde ich nicht mehr denken.

Als ich den Text beim alten Propheten Jeremia gelesen habe – es ist der vorgeschlagene Predigttext für den heutigen Sonntag – hab ich mich sofort angesprochen gefühlt.

Weil es um einen Neuanfang geht…

Weil es, auch wenn das nicht ausdrücklich so gesagt wird, um den Geist Gottes geht…

Weil der einzelne Mensch in seiner Würde und Achtung gestärkt wird…

Weil mich der Gedanke fasziniert, dass Gott bei mir oder bei dir etwas ins Herz schreibt…

Quasi an den Ort, wo etwas in unserem Leben nicht mehr wirklich gelöscht werden kann…

Ich hab mich gefragt, ob man das, was Gott schreibt, auch lesen können muss? Und wie das geht?

Und dass das, was Gott schreibt, der Kern des Evangeliums ist: „ich werde ihre Schuld verzeihen und an ihre Sünden nicht mehr denken.“ 

Ist das nicht genial? Gott sagt nicht: pass auf, kleines Auge, was du siehst…“, sondern „ich werde deine, ihre Schuld verzeihen und an ihre Sünden nicht mehr denken.

Das ist es, was Gott uns ins Herz schreibt. Und was Jesus dauernd gesagt und getan hat.

Steht schon im Alten Testament.

Und niemand soll mehr den anderen belehren und ihm vorschreiben, was er von Gott denken, glauben und sagen soll.

Das wär schön.

Eine Freiheit des Denkens, Redens und Lebens…

Das ist ein schöner Einstieg nach einer bösen Zeit.

Und vielleicht auch ein guter Gedanke für einen Abschied.

Weil es mir doch genau um diesen Gedanken geht: Gott befreit und entlastet. Gott meint es gut mit dir und mir.

Und es ist Gott, der selbst schreibt. Gott kümmert sich selbst darum, wir müssen es nicht selbst, oder gar für Gott machen…

Und damit habe ich eigentlich schon alles gesagt, was mir zu diesem Text heute wichtig geworden ist.

Aber ich wiederhole mich gern 😉 Und führe es noch ein bisschen aus, denn bei jedem einzelnen Gedanken, den ich gerade gesagt habe, kann man noch unendlich weiterdenken…

Zum Beispiel ist ein Neuanfang zwar ein bestimmter Moment. Ein Datum wie der 24.5.. Aber dann auch wieder nicht. Wir planen ja schon seit Wochen. Der Neuanfang hat längst begonnen, bevor er begonnen hat.

Oder dass dieser Neuanfang im Bibeltext eine bestimmte Qualität hat. Den Punkt setzt Gott. Der Neuanfang geht damit einher, dass Gott etwas in unsere Herzen schreibt. Also kann so ein Neuanfang immer sein. Und bei jedem anders. Und ist gar nicht an ein bestimmtes Datum gebunden. Hängt vielleicht sogar von unseren Lesefähigkeiten ab…?

Und dann schreibt Gott in unser Herz. Den Kern unseres Lebens. Dorthin, wo unser Leben ist. Psychologen sagen, dass das, was in unserem Herzen ist, oft mit sehr starken Gefühlen verbunden ist. Sich eingegraben und festgesetzt hat. Im schlechten Fall ein Trauma oder ein böser Teufelskreis, in den wir immer wieder geraten. Im guten Fall etwas, das uns helfen kann, selbst die schwierigsten Situationen unseres Lebens zu meistern. Eine Kraft, ein Segen, der uns immer wieder aufrichtet. 

Dorthin, wo die Mitte unseres Lebens ist, schreibt Gott…

… dass er „unsere Schuld wegnimmt und an unsere Sünden nicht mehr denkt“. 

In jüngeren Jahren und früheren Zeiten ist mir noch nicht so richtig bewusst gewesen, dass das eigentlich das Hauptproblem von uns Menschen ist. Mit der Verantwortung für das, was wir getan und wie wir gelebt haben, fertig zu werden. Und damit sogar sterben zu können.

Wären wir nur Tiere würden wir uns darüber gar keine Gedanken machen. Aber wir sind nicht einfach wie die Tiere. Wir beeinträchtigen mit unserem Handeln die Erde und das Leben massiv. Oft genug schonen wir weder die Erde noch unsere Mitmenschen. Dauernd machen wir uns schuldig.

Wir reden uns das nicht nur ein. Irgendwelche albernen oder falschen Schuldgefühle. Nein, wir sind es wirklich. Und fast immer lässt sich das gar nicht vermeiden. Oder kaum. Wir können uns bemühen. Aber es wird uns nicht gelingen.

Eltern machen sich an Kindern schuldig. Kinder an ihren Eltern. Wir machen uns an der Erde schuldig. Ständig versuchen wir uns zu rechtfertigen: ich hatte keine Wahl. Das war meine Erziehung. Ich hab Unterzucker. Ich habs nicht besser gewusst. Ich kann nichts dafür. Ich wars nicht.

Dabei wissen die meisten von uns, dass wir uns mit diesen Rechtfertigungsversuchen etwas vormachen. Wir, jeder von uns, ist auf seine Weise verantwortlich für den Zustand der Erde, das Schicksal der Tiere und Pflanzen und unsere Mitmenschen. Jeder.

Aber dass ausgerechnet wir Christen das immer so betonen, hat dazu geführt, dass unsere Mitmenschen das Christsein als die Religion wahrnimmt, die die Menschen einengt und permanent klein macht. Ihr seid schuldig!

„Sündige tapfer“ hat Martin Luther mal gesagt und damit gemeint, dass wir nicht mutwillig Schuld auf uns laden sollen, aber uns auch bewusst sein müssen, dass es das Los von uns Menschen ist schuldig zu sein.

„… dass er unsere Schuld wegnimmt und nicht mehr an unsere Sünden denkt.“ Gott, der Schöpfer unseres Lebens befreit uns von unserer Last.

Jesus Christus ist dafür sogar in den Tod gegangen.

Alles erledigt. Sei frei. Und aufrecht. Leben dein Leben. Freudig. Tapfer. Gelassen. Gnädig mit allen. Auch mit dir selbst. Und mit Gott, der dich ja sowieso umgibt wie die Luft zum Atmen.

Bei diesem Gott bist du gut aufgehoben. In Zeit und Ewigkeit.

Das ist die eigentliche Botschaft. Und es ist eine tolle Botschaft. Ein Evangelium. Ein gutes Schlusswort…

Oder ein gutes Wort für einen Neuanfang.

Oder für meine letzte Predigt auf dem Hegensberg. 

Eine meiner Vermutungen ist, dass man auch als Christ Leseschwierigkeiten haben kann. Denn, so verstehe ich das, Jesus Christus oder Gott hat diese befreienden Worte schon lange in unser Herz geschrieben. Aber sie sind irgendwie verschüttet oder wir haben Leseschwierigkeiten.

Weil halt auch niemand wollen kann, dass wir Menschen diese gute Botschaft als Freibrief fürs „sündigen“ verstehen will und kann. Wir sollen unserer Verantwortung ja gerecht werden und möglichst gut und richtig leben.

Und so verstehe ich mich in meiner Aufgabe als Pastor oft als jemand, der anderen helfen will, diese Botschaft im eigenen Herz zu finden. Oder sich zeigen zu lassen. Und als jemand, der anderen beim Lesen dieser Botschaft hilft.

Kann man dieser Botschaft tatsächlich trauen, dass Gott „unsere Schuld verzeiht und an unsere Sünden nicht mehr denkt“? Das er unseren guten Willen sieht und auch akzeptiert, wenn wir es nicht schaffen? 

Ja, man kann. Dazu lädt Jesus Christus ein. Das heißt Christsein. Dieser guten Nachricht Gottes trauen und sie im eigenen Leben annehmen und an andere weitergeben. 

Und das wünsche ich Dir und Euch, dass es Dir und Euch gelingt, diese Botschaft immer wieder durchzubuchstabieren und sie in das eigene Leben hineinwirken lassen.

Dazu segne Dich Gott.

Zum Schluss noch ein Text von Hanns Dieter Hüsch:

„Lachen und Weinen halten den Menschen am Leben

Und halten ihn nicht nur am Leben, sondern bewegen ihn auch, nicht aufzugeben, nicht bitter zu werden, erfinderisch zu sein, andere verstehen zu lernen, einen Platz anzubieten, vielleicht auch eine Suppe und Brot, Wärme zu verschenken. – Es könne Christus selbst sein, der um Aufnahme bittet.

Und wer dies sich wirklich vorstellen kann, hat alle Gewalt besiegt. Erlebt den Triumpf des Glaubens. Und heilt den Frieden.

Auf dass Gottes Erde Heimat wird für alle Welt.“

Amen

(aus: Michael Blum und Hanns Dieter Hüsch, Das kleine Buch zum Segen, tvd-Verlag7. Auflage 2002)