Predigt vom 15.02.2019 – Crossover Gottesdienst

Text/Thema: Digitale Kirche – Segen per Knopfdruck?

Digitalisierung ist heute in aller Munde. Alles gibt es heute online. In letzter Zeit ist auch das Thema künstliche Intelligenz vermehrt in der Presse. Autos, Flugzeuge, Busse, die ohne Fahrer unterwegs sein sollen. Maschinen, die ältere Menschen im Leben unterstützen sollen. Und sogar so etwas wie Intelligenz mitbringen. Wir sind gespannt, was die Entwicklung noch so alles bringt.
Die Digitalisierung macht natürlich auch vor der Kirche nicht halt. Ein interessantes Projekt, bzw. Experiment gab es bei der Weltausstellung im Rahmen des Reformationsjahres 2017 in Wittenberg. Dort stand der Segensroboter „BlessU-2“. Ein Roboter, von dem man sich segnen lassen konnte.
Kann man sich von einem Roboter segnen lassen? Ist das Quatsch oder steckt da mehr dahinter? Wir schauen uns dazu jetzt einen kurzen Filmclip an und dann lade ich euch zu einer Diskussionsrunde an den Tischen ein.

Filmclip anschauen. Link: https://www.youtube.com/watch?v=l8SgM-N98jg

Sich von einem Roboter segnen lassen – ist das Quatsch oder nicht?

Das Projekt war übrigens ein voller Erfolg. Es sollte ausdrücklich zur Diskussion anregen. Und das hat funktioniert. Sogar weltweit. Und es ließen sich immerhin ungefähr 9000 Menschen segnen. Der Projektleiter Fabian Vogt ist nicht nur ein Teil des Kabarett-Duos „Duo Camillo“, er war auch Pfarrer in der evangelischen Adreasgemeinde in Niederhöchstadt. In einem Interview erinnert sich Vogt:
„Da war eine alte Dame, die vor ein paar Tagen vor BlessU-2 stand, mit ihrem Enkel. Der Enkel fand den Roboter toll, seine Oma nicht. Sie fand die Maschine unangemessen, das ganze Projekt frivol. Es ist der Hartnäckigkeit ihres Enkels zu verdanken, dass sie schließlich doch vor den Roboter trat, auf das im Boden eingelassene Kreuz, das nicht dort ist, um mit Füßen getreten zu werden, sondern als schlichte Markierung dient. Genau dort muss der Mensch stehen, damit die Maschine merkt, dass es losgehen kann mit dem Segenswerk.
Die alte Dame wählte Stimme und Sprache, der Roboter begann mit seiner Arbeit und segnete sie mit ihrem Konfirmationsspruch. Als die Maschine schwieg, stand die alte Dame da, mit Tränen in den Augen. Sie zweifelte nicht mehr.
„Sehen Sie“, sagte Vogt, „Gottes Werk.“
Konservative Medien haben den Roboter als Teufelswerk bezeichnet und befürchtet, dass am Ende nur noch ein Roboter auf der Kanzel steht und predigt. Vor einer Gemeinde, die auch aus Robotern besteht, weil man den Gottesdienstbesucher ja auch durch einen solchen ersetzen kann…
Hhmm,
Aber um welche Frage geht es eigentlich? Bevor man die Frage nach dem Roboter stellt, muss man sich fragen, was Segen denn eigentlich ist.
Segnen hat mit zwei lateinischen Worten zu tun. Einmal mit benedicere. Auf Deutsch „gut sprechen“. Gemeint ist einem Menschen Gutes zusprechen. Und Segen hat mit dem Lateinischen signum zu tun, auf Deutsch „Zeichen“. Gemeint ist eine Handlung, bei der einem Menschen Gutes zugesprochen wird. Meist in Verbindung mit einer Zeichenhandlung. Z.B. die segnenden Hände oder Handauflegung oder Salbung. Aber es gibt auch andere Zeichen.
Im Mittelalter wurden Segenshandlungen als magisches Mittel verstanden. Segnen durfte nur der Klerus. Außerhalb der Kirche wurden Segenshandlungen in die Ecke von Zauberei gerückt und waren unter Strafe verboten.
Segen ist nicht automatisch etwas Religiöses. Es kann sich auch um einen ganz und gar menschlichen Segen handeln. Z.B. haben die Erzväter im Alten Testament ihren Segen weitergegeben. Der Segen Isaaks oder Jakobs.
Aber fast immer ist Segen dann doch etwas Religiöses, weil er mit göttlichen Mächten zu tun hat, die einen Menschen oder eine Situation oder eine Gegend schützen sollen. Mit guten übernatürlichen und göttlichen Kräften und Gaben unterstützen, begleiten. Und während es in manchen Religionen und der katholischen Kirche sein kann, dass Gegenstände wie z.B. Feuerwehrautos gesegnet werden, betont die evangelische Kirche, dass es immer um die Menschen geht. Menschen und menschliche Situationen können gesegnet werden.
Segen will also die guten, göttlichen Kräfte einem Menschen zusprechen. In eine bestimmte Situation hineinsagen. Und mit einem Zeichen versehen an das man sich erinnern kann.
Es geht also nicht um die menschlichen Kräfte, sondern die göttlichen. Nicht um den menschlichen Segen geht es, sondern um göttlichen. Allenfalls geht es noch darum, dass ein Mensch „im Namen Gottes“ segnet. Der Mensch wird also zum Mittler des göttlichen Segens. Gottes Kräfte, Gottes Segen ist es. Der Mensch gibt den Segen „nur“ weiter. Auch wenn ein Zeichen, wie Handauflegen verwendet wird, fließen nicht die menschlichen Kräfte, sondern Gottes Kräfte durch den Segnenden zum Gesegneten.
Die Frage lautet dann also etwas zugespitzt: Kann Segen auch durch die Metallhände eines Roboters fließen? Oder kann ein Mensch sich gesegnet fühlen, wenn eben kein Mensch einen Segen spricht, sondern eine Maschine?
Spätestens seit der Erfindung des Buchdrucks und der Druckerschwärze ist aber auch klar, dass Segen z.B. auch über Druckerschwärze vermittelt wird. Oder durch Musik. Oder durch Berührung. Oder durch Bilder. Und mir ist z.B. im Anschluss an den Radio-Gottesdienst im Herbst 2017 sehr klar geworden, dass Segen auch über Radiowellen weitergegeben wird. Oder Fernsehbilder. Und damit auch über Bits und Glasfaserkabel. Warum dann nicht auch über einen Roboter oder einen Algorithmus?
Ein Pfarrer, der auch über den Roboter nachgedacht hat, erinnerte sich, dass die Mutter eines Bekannten immer vor dem Fernseher gekniet hat, während der Papst den Segen „urbi et orbi“ gesprochen hat.
Und er schreibt: Jesus hat noch persönlich gesegnet, aber schon Paulus hat Briefe geschrieben und den Segen Gottes damit einem Medium anvertraut. Auch das Internet oder ein Algorithmus sind Medien, Mittler.
Menschen können heute per Livestream miteinander Gottesdienst feiern, obwohl sie an unterschiedlichen Orten sind. Und sie können dies sogar zeitversetzt tun.
Heutige Menschen passen sich in diese Zeit hinein an auch wenn wir Älteren da nicht mehr so richtig mitkommen.
Ich möchte euch heute eine Vorstellung mit auf den Weg geben, die mir geholfen hat. Deshalb muss ich mich nicht gleich von einem Roboter segnen lassen, aber ich bin auch nicht unbedingt auf einen konkreten Menschen vor Ort angewiesen.
Wenn es stimmt, dass Gott uns umgibt und in uns ist wie die Luft die wir atmen, dann ist auch sein Segen immer in uns und um uns. Seine Liebe, seine Barmherzigkeit und Gnade, seine Güte. Dann kennt er alle unsere Gedanken, all das, was uns sorgt oder wie ein Berg vor uns steht. Wir leben gewissermaßen und Gott umgibt und umhüllt uns.
(Wie Radiowellen übrigens, die wir ja auch nicht sehen und die trotzdem da sind).
Wenn nun ein Segen gesprochen wird, dann bezieht sich derjenige, der ihn spricht auf diesen unendlichen Strom göttlicher Güte, der uns umgibt und bringt ihn für uns in einer besonderen Situation zum Leuchten. Wie wenn in unserem Leben für eine bestimmte Situation ein Licht angezündet wird, ein bestimmter Streckenabschnitt besonders angeleuchtet wird.
Und wir empfangen den Segen, der aus dem unendlichen Strom der Güte Gottes kommt, die uns umgibt und beziehen ein Segenswort und eine Segenshandlung auf eine ganz bestimmte Situation in unserem Leben. Und fühlen uns dadurch gestärkt, geborgen, eben gesegnet.
Der Segen, der uns erreicht, kann uns aber auf ganz unterschiedliche Weise vermittelt werden. Und das Wort „vermittelt“ sagt, dass es da einen Mittler oder ein Medium gibt, durch das oder den der Segen zu uns kommt. Das muss nicht durch einen konkreten Menschen geschehen, der vor uns steht. Dieser Mensch spricht möglicherweise durch ein Telefon und ist gerade an einem ganz anderen Ort. Oder es ist ein geschriebenes Wort, eine Karte, ein Bild. Oder das Medium sind elektrische Wellen, durch die ein Fernsehprediger uns in unserer Situation anspricht. In einem Gottesdienst, der möglicherweise gar nicht in diesem Moment stattfindet, sondern vor drei Wochen stattgefunden hat und auf einem Speichermedium lag, das nun abgespielt wird.
Deshalb denke ich, dass uns Segen auch erreichen kann, wenn er aus einer Stimme kommt, die aus einem Blechkasten spricht und uns dadurch auf Gottes gute Gegenwart in unserem Leben aufmerksam macht.
Die Frage dabei ist dann ja nicht nur, wer den Segen weitergibt, sondern wie offen ich als Empfänger eines Segenswortes bin. Wie offen bin ich für das Medium, den Mittler, der mich auf den Strom unendlicher Güte Gottes aufmerksam macht.
Und da ist jeder Mensch anders. Überlegt mal, auf welch unterschiedlichen Wegen euch schon der Segen Gottes erreicht hat. Wer hat den Segen losgeschickt? Welches Medium wurde verwendet? Und warum hat mich gerade dieser Segen erreicht? Es hängt eben auch von mir, meiner Situation und meiner Einstellung ab, was mich erreicht.
Segnet uns ein konkreter Mensch vor Ort, kommt noch etwas hinzu, das sonst fehlt: eine Beziehung, die mit Sympathie zu tun hat, vielleicht auch mit Freundschaft oder Liebe. Und ob ich mich von diesem Menschen gerne segnen lassen will, weil ich denke, dass er aufrichtig und bewusst versucht, ein gutes Medium für den Segen Gottes zu sein.
Und für den segnenden Menschen kommt noch hinzu, dass er tatsächlich auch etwas von der Güte und dem Segen Gottes spürt, den er weitergibt. Der Segnende ist ebenso gesegnet.
Aber abhängig ist der Strom der Segensgüte Gottes, die mich umgibt, davon nicht. Gott kennt viele Wege, uns seine Güte nahezubringen.
Ein Segenswort, das mir schon oft gut getan, ist uralt und steht im Propheten Zephanja im Alten Testament. Versteht ihr? Es steigt gewissermaßen aus den Tiefen der Geschichte und aus einer völlig anderen Situation herauf und zeigt uns heute, am 15.02.2109 etwas von dem Segensstrom Gottes, der uns damals und heute umgibt. Möge es in euch ein Licht anzünden und zum Segen werden, der euch stärkt und aufrichtet. Dort heißt es: „Der Herr, dein Gott, ist bei dir, ein starker Heiland. Er wird sich über dich freuen und dir freundlich sein, er wird dir vergeben in seiner Liebe und wird über dich mit Jauchzen fröhlich sein.“
Und in diesem Sinn wünsche ich euch einen gesegneten Abend und ein solches Wochenende. Amen