Von Uwe Wild
Ein Kollege von mir sagt immer wieder mal augenzwinkernd: „Bevor man eine Aufgabe übernimmt, benötigt man einen Schuldigen und eine gute Ausrede.“
Leider kommt es mir in letzter Zeit immer häufiger so vor, dass dieser Satz in vielen Angelegenheiten zur vorherrschenden Grundeinstellung geworden ist. Nicht nur bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie werden alle Erfolge gerne dem eigenen Engagement zugeschrieben und die Misserfolge auf weit entfernte Verantwortliche abgewälzt. Auch in der Arbeit erlebe ich immer wieder, dass die Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen und dafür dann auch die Verantwortung zu übernehmen, bisweilen erschreckend gering ist.
Jede Entscheidung, die wir treffen, hat Konsequenzen, häufig sogar positive und negative zugleich. Seite Mitte März, als diese Pandemie in Deutschland ankam, sehen wir das sehr genau. Die Schutzmaßnahmen hatten den Zweck, die Ausbreitung des Virus zu vermindern und die Zahl der Infizierten und Todesopfer zu minimieren. Gleichzeitig hatte der „Lockdown“, die Einschränkung des öffentlichen Lebens, zur Folge, dass Menschen um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen müssen und Risikogruppen isoliert wurden und in Einsamkeit versunken sind. Über Tragweite und Umsetzung kann man sicher streiten, trotzdem waren die Maßnahmen wichtig und hatten dennoch katastrophale Folgen für viele Bevölkerungsgruppen.
Aber unsere Politiker haben in seltener Einigkeit diese Entscheidungen getroffen und ihre Verantwortung nicht auf andere abgeschoben. Das haben sie durchgehalten, obwohl in den sozialen Medien und in der Öffentlichkeit ihnen viel Widerstand entgegen kam – von denen, die mehr Einschränkungen forderten, und von denen, die diese Einschränkungen heftig bekämpften.
Am lautesten schienen mir diejenigen zu schreien, die keinerlei Verantwortung zu tragen haben.
In Lukas 19, 1 – 10, erzählt uns die Bibel die Geschichte von Zachäus. Er war zwar ein Jude, hatte aber von den Römern die Aufgabe übernommen, Zölle zu erheben und diese an sie abzuliefern. Diese Zöllner waren äußerst verhasst, da sie sich zu Handlangern der Besatzer machten und meistens auch noch zu ihren Gunsten die Bevölkerung betrogen.
Als Jesus ihn ansprach, hat Zachäus keine Sekunde lang versucht, die Verantwortung für sein Handeln auf andere abzuwälzen. Er hat sich zu seinen Vergehen bekannt und sich bereit erklärt, den Menschen, die er betrogen hatte, zu entschädigen.
Für unser Leben, unsere Gesellschaft und auch unsere Gemeinde und Kirche ist es lebenswichtig, dass wir bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Dabei können wir nie alles richtigmachen, dabei werden wir Menschen enttäuschen und uns schuldig machen. Aber Jesus sagt uns, dass er zu uns steht, dass wir einen Neuanfang wagen können, dass Vergebung auch ganz praktisch existiert.
Beten wir dafür, dass Jesus uns zu Entscheidungen befähigt und wir uns mit seinem Rückhalt nicht vor den Konsequenzen drücken müssen. Beten wir auch für die Verantwortlichen in unserer Gesellschaft und unterstützen wir sie, den richtigen Weg zu finden, bei dem das Wohl der Menschen im Mittelpunkt steht.