Der nachösterliche Fischzug des Petrus
Von Jochen Schweizer
Es ist frisch an diesem frühen Morgen. Der Nebel wabert über die Wasseroberfläche des See Genezaret. Diese Stille wird durch leise Ruderschläge und durch das Gespräch der Handvoll Männer im Fischerboot unterbrochen.
„Nichts gefangen, so ein Mist. Los zurück zum Ufer“, murmelt Jakobus.
„So wie damals“, ergänzt Andreas und zieht dabei enttäuscht das leere Netz ins Boot, „als uns vor drei Jahren unser Meister rief. Da sollten wir am hellichten Tage nochmal rausfahren und die Netze auswerfen. Kurz darauf waren unsere beiden Boote voll zappelnder Fische.“
„Aber jetzt fehlt er – gekreuzigt und tot. “ Mutlos lässt Nathanael den Blick sinken.
Erstaunt schaut ihn Johannes an: „Aber er ist doch…“
„auferstanden?“ „Er soll leben? Ich weiß nicht. Alles so unwirklich und kaum zu glauben“, entgegnet Thomas.
„Glauben! Ja, das sollen wir. Glaubt ihr denn immer noch nicht? Was muss denn noch geschehen. Jesus ist uns doch nach seinem Tod sogar mehrmals erschienen“, weist Johannes sie energisch zurecht. „Die Frauen…“
„Oh ja, Maria aus Magdala und die anderen Frauen. Sie gingen frühmorgens zum Grab. Dann machten sie uns verrückt. Magdalena behauptete, sie habe Jesus gesehen. Er habe sie mit ihrem Namen angesprochen. Und die anderen Frauen erzählten etwas von strahlenden Engeln am offenen, leeren Grab. Jesus soll leben behaupteten sie. Das leere Grab haben Johannes und ich tatsächlich gesehen, stimmt s Johannes?“
„Wohl wahr. Dann ist Jesus noch Zweien von uns auf dem Weg nach Emmaus begegnet. Er hat sich einladen lassen und mit ihnen in ihrem Haus gegessen, und dabei das Brot gebrochen, so wie damals bei unserem letzten gemeinsamen Essen“, ergänzt Johannes.
„Thomas, dir ist doch Jesus ebenso begegnet. Du konntest seine Wundmale sehen. Du hättest sie sogar berühren können. Du hast doch in diesem Augenblick daran geglaubt, dass er lebt.“
„Ja, schon,“ erwidert Thomas. „Trotzdem und wenn das alles doch nur Einbildung war?“
„Petrus, du hast doch behauptet, dass auch dir der Herr begegnet sei. Du hättest ihn gesehen…“, Natanael schaut ihn fragend an.
„Ja, wir alle haben ihn doch gesehen. Er stand mitten in unserem Raum, wo wir uns versteckt hatten. Dennoch – etwas fehlt. Ich brauch noch irgendetwas. – Ich weiß aber nicht was“, entgegnet Petrus nachdenklich.
„Kikeriki“. Petrus zuckt zusammen: „Oh dieser Gockel. Ich könnte ihm den Hals umdrehen“.
„Wieso denn?“ will Jakobus wissen.
„Immer wenn ich ein Krähen höre, muss ich an diese schreckliche Nacht vor seinem Tod denken, als ich unseren Meister dreimal verleugnet habe, damals im Hof des Hohepriesters. Hab mich immer für so toll und stark gehalten. Ich habe ihm bei meinem Leben versprochen ihn bis zum Tod zu verteidigen. Und Jesus hat anschließend alles vorher gesagt, was Schlimmes passieren wird.“
Andreas legt beruhigend die Hand auf seine Schulter. „Ja, Bruder. Das alles hast du uns schon ein paar Mal erzählt. Wir wissen noch, wie du in jener Nacht völlig am Ende warst. Aber wir alle haben ihn davor im Garten Gezemaneh im Stich gelassen. Du hattest damals Todesangst…“
Verzweifelt vergräbt Petrus sein Gesicht in seinen Händen: „Wie könnte mir das unser Herr bloß verzeihen? Das kann nicht sein.“
Johannes schaut ans nahe Ufer: „Da drüben steht ja einer. Der beobachtet uns.“
„Kinder, habt ihr nichts gefangen?“, ruft diese Gestalt den Männern im Boot zu.
„Nein, überhaupt nichts“, erwidern sie.
„Dann werft euer Netz auf der anderen Seite des Bootes aus“, bekommen sie zu hören.
Die Fischer blicken sich kurz an und folgen einfach dieser Aufforderung. Wenig später ist ihr Netz voller zappelnder Fische.
Noch als die Männer ihren Fang ins Boot holen wollen, schaut sich Johannes diese Gestalt am Ufer genauer an und meint: „Moment mal. Petrus der da am Ufer steht – es ist der Herr!“
Johannes hat gerade ausgesprochen, da wirft sich Petrus ins Wasser und schwimmt ans Ufer. Doch je mehr er sich der Gestalt nähert, desto zögerlicher werden seine Schwimmzüge.
Petrus überlegt: „Wenn das tatsächlich Jesus ist, dann bekomme ich gleich aber mächtig was zu hören. Wenn ich an Jesu Stelle wäre, und mein bester Freund hätte sich so etwas bei mir geleistet, ich hätte ihn…. “
Nun sind alle am Ufer angekommen und sichern den Fang. Anschließend setzen sie sich an das schon vorbereitete Feuer. Jeder von ihnen weiß, dass der Mann am Ufer, diese Gestalt tatsächlich Jesus ist. Obwohl Petrus sonst immer einen Bärenhunger hat, bekommt er auf einmal von den gebratenen Fischen kaum einen Bissen runter. Petrus weicht dem ruhigen Blick Jesu immer wieder aus. Es kommt Petrus wie eine Ewigkeit vor.
Er fragt sich: „Wann legt er endlich los – wann schimpft er endlich? Ich habe das doch wirklich verdient. Wieso jagt er mich Versager nicht gleich davon?“
Doch die folgende Frage, die Jesus dem Petrus stellt, haut ihn fast um: „Petrus, hast du mich noch lieber, als die anderen hier?“
Trocken muss er schlucken. In aller Bescheidenheit antwortet er: „Herr du weißt alles, du weißt auch, dass ich dich lieb habe.“
„Hüte meine Lämmer“, fordert ihn Jesus auf.
Wenig später stellt Jesus dieselbe Frage nochmal an Petrus. Der Fischer antwortet wie beim ersten Mal. „Weide meine Schafe“, fordert ihn Jesus wieder auf.
Als Jesus zum dritten Mal diese Frage stellt, wird Petrus traurig und meint: „Herr, du weißt alles. Du siehst doch, dass ich dich lieb habe.“
Und wieder Jesu Aufforderung: „Weide meine Schafe.“
Soweit der Bibeltext.
Petrus hat für sich begriffen: Jesus musste mir drei Mal diese Frage stellen, weil ich ihn drei Mal verleugnet und somit versagt habe. Ich darf als Versager bei ihm immer wieder neu anfangen und neu beginnen.
In der Folgezeit freute sich Petrus über jeden krähenden Hahn, der ihn neben seinem damaligen Versagen auch stets an seinen Neuanfang, an seine neue Chance erinnerte. Höchstwahrscheinlich gelang es Petrus nach diesem Fischzug immer mehr auch den anderen vergeben zu können – vielleicht sogar 7 mal 70 Mal.
Erinnern auch wir uns daran, wenn wir auf einem Kirchturm einen Wetterhahn sehen? Wie stehst du zu Schuld und Versagen, zu Vergebung und Neu anfangen? Was bedeutet für dich Ostern? Wie kannst du Ostern ganz persönlich für dich fassen?
Ostern steht für die zweite Chance. Es steht dafür, dass nicht alles vorbei ist, sondern dass es weitergeht, auch wenn es unmöglich scheint.
Wir beten:
– wir bringen Gott unsere Wünsche nach dem, was Weitergehen und wieder lebendig werden soll: wo erbitten oder erhoffen wir uns eine zweite Chance?
– wir bringen vor Gott, wo wir uns selbst als Versager*in fühlen. Wir vertrauen darauf, dass Gott Mitgefühl mit uns hat und uns vergibt, wo wir Schuld haben. Wir verlassen uns darauf, dass Jesus Christus jede*n bei sich aufnimmt und für jede*n von uns eine Aufgabe hat. Wir bitten darum, uns diese Aufgabe immer wieder zu zeigen.
– wir bringen vor Gott unsere Sehnsucht nach der Vergangenheit. Was vermissen wir? Wir bitten ihn darum, dass er unser Leben erfüllt: mit Neuem und Altem. Wir bitten Gott, dass unsere Sehnsucht gestillt wird.
-wir danken Gott für diesen Tag: was war gut? Was hat uns gefreut?
– wir bitten Gott für morgen: was legen wir in seine Hand? Was nehmen wir uns selbst vor?
-wir schließen unser Gebet mit dem Vater Unser ab.