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Predigt vom 15.02.2019 – Crossover Gottesdienst

Text/Thema: Digitale Kirche – Segen per Knopfdruck?

Digitalisierung ist heute in aller Munde. Alles gibt es heute online. In letzter Zeit ist auch das Thema künstliche Intelligenz vermehrt in der Presse. Autos, Flugzeuge, Busse, die ohne Fahrer unterwegs sein sollen. Maschinen, die ältere Menschen im Leben unterstützen sollen. Und sogar so etwas wie Intelligenz mitbringen. Wir sind gespannt, was die Entwicklung noch so alles bringt.
Die Digitalisierung macht natürlich auch vor der Kirche nicht halt. Ein interessantes Projekt, bzw. Experiment gab es bei der Weltausstellung im Rahmen des Reformationsjahres 2017 in Wittenberg. Dort stand der Segensroboter „BlessU-2“. Ein Roboter, von dem man sich segnen lassen konnte.
Kann man sich von einem Roboter segnen lassen? Ist das Quatsch oder steckt da mehr dahinter? Wir schauen uns dazu jetzt einen kurzen Filmclip an und dann lade ich euch zu einer Diskussionsrunde an den Tischen ein.

Filmclip anschauen. Link: https://www.youtube.com/watch?v=l8SgM-N98jg

Sich von einem Roboter segnen lassen – ist das Quatsch oder nicht?

Das Projekt war übrigens ein voller Erfolg. Es sollte ausdrücklich zur Diskussion anregen. Und das hat funktioniert. Sogar weltweit. Und es ließen sich immerhin ungefähr 9000 Menschen segnen. Der Projektleiter Fabian Vogt ist nicht nur ein Teil des Kabarett-Duos „Duo Camillo“, er war auch Pfarrer in der evangelischen Adreasgemeinde in Niederhöchstadt. In einem Interview erinnert sich Vogt:
„Da war eine alte Dame, die vor ein paar Tagen vor BlessU-2 stand, mit ihrem Enkel. Der Enkel fand den Roboter toll, seine Oma nicht. Sie fand die Maschine unangemessen, das ganze Projekt frivol. Es ist der Hartnäckigkeit ihres Enkels zu verdanken, dass sie schließlich doch vor den Roboter trat, auf das im Boden eingelassene Kreuz, das nicht dort ist, um mit Füßen getreten zu werden, sondern als schlichte Markierung dient. Genau dort muss der Mensch stehen, damit die Maschine merkt, dass es losgehen kann mit dem Segenswerk.
Die alte Dame wählte Stimme und Sprache, der Roboter begann mit seiner Arbeit und segnete sie mit ihrem Konfirmationsspruch. Als die Maschine schwieg, stand die alte Dame da, mit Tränen in den Augen. Sie zweifelte nicht mehr.
„Sehen Sie“, sagte Vogt, „Gottes Werk.“
Konservative Medien haben den Roboter als Teufelswerk bezeichnet und befürchtet, dass am Ende nur noch ein Roboter auf der Kanzel steht und predigt. Vor einer Gemeinde, die auch aus Robotern besteht, weil man den Gottesdienstbesucher ja auch durch einen solchen ersetzen kann…
Hhmm,
Aber um welche Frage geht es eigentlich? Bevor man die Frage nach dem Roboter stellt, muss man sich fragen, was Segen denn eigentlich ist.
Segnen hat mit zwei lateinischen Worten zu tun. Einmal mit benedicere. Auf Deutsch „gut sprechen“. Gemeint ist einem Menschen Gutes zusprechen. Und Segen hat mit dem Lateinischen signum zu tun, auf Deutsch „Zeichen“. Gemeint ist eine Handlung, bei der einem Menschen Gutes zugesprochen wird. Meist in Verbindung mit einer Zeichenhandlung. Z.B. die segnenden Hände oder Handauflegung oder Salbung. Aber es gibt auch andere Zeichen.
Im Mittelalter wurden Segenshandlungen als magisches Mittel verstanden. Segnen durfte nur der Klerus. Außerhalb der Kirche wurden Segenshandlungen in die Ecke von Zauberei gerückt und waren unter Strafe verboten.
Segen ist nicht automatisch etwas Religiöses. Es kann sich auch um einen ganz und gar menschlichen Segen handeln. Z.B. haben die Erzväter im Alten Testament ihren Segen weitergegeben. Der Segen Isaaks oder Jakobs.
Aber fast immer ist Segen dann doch etwas Religiöses, weil er mit göttlichen Mächten zu tun hat, die einen Menschen oder eine Situation oder eine Gegend schützen sollen. Mit guten übernatürlichen und göttlichen Kräften und Gaben unterstützen, begleiten. Und während es in manchen Religionen und der katholischen Kirche sein kann, dass Gegenstände wie z.B. Feuerwehrautos gesegnet werden, betont die evangelische Kirche, dass es immer um die Menschen geht. Menschen und menschliche Situationen können gesegnet werden.
Segen will also die guten, göttlichen Kräfte einem Menschen zusprechen. In eine bestimmte Situation hineinsagen. Und mit einem Zeichen versehen an das man sich erinnern kann.
Es geht also nicht um die menschlichen Kräfte, sondern die göttlichen. Nicht um den menschlichen Segen geht es, sondern um göttlichen. Allenfalls geht es noch darum, dass ein Mensch „im Namen Gottes“ segnet. Der Mensch wird also zum Mittler des göttlichen Segens. Gottes Kräfte, Gottes Segen ist es. Der Mensch gibt den Segen „nur“ weiter. Auch wenn ein Zeichen, wie Handauflegen verwendet wird, fließen nicht die menschlichen Kräfte, sondern Gottes Kräfte durch den Segnenden zum Gesegneten.
Die Frage lautet dann also etwas zugespitzt: Kann Segen auch durch die Metallhände eines Roboters fließen? Oder kann ein Mensch sich gesegnet fühlen, wenn eben kein Mensch einen Segen spricht, sondern eine Maschine?
Spätestens seit der Erfindung des Buchdrucks und der Druckerschwärze ist aber auch klar, dass Segen z.B. auch über Druckerschwärze vermittelt wird. Oder durch Musik. Oder durch Berührung. Oder durch Bilder. Und mir ist z.B. im Anschluss an den Radio-Gottesdienst im Herbst 2017 sehr klar geworden, dass Segen auch über Radiowellen weitergegeben wird. Oder Fernsehbilder. Und damit auch über Bits und Glasfaserkabel. Warum dann nicht auch über einen Roboter oder einen Algorithmus?
Ein Pfarrer, der auch über den Roboter nachgedacht hat, erinnerte sich, dass die Mutter eines Bekannten immer vor dem Fernseher gekniet hat, während der Papst den Segen „urbi et orbi“ gesprochen hat.
Und er schreibt: Jesus hat noch persönlich gesegnet, aber schon Paulus hat Briefe geschrieben und den Segen Gottes damit einem Medium anvertraut. Auch das Internet oder ein Algorithmus sind Medien, Mittler.
Menschen können heute per Livestream miteinander Gottesdienst feiern, obwohl sie an unterschiedlichen Orten sind. Und sie können dies sogar zeitversetzt tun.
Heutige Menschen passen sich in diese Zeit hinein an auch wenn wir Älteren da nicht mehr so richtig mitkommen.
Ich möchte euch heute eine Vorstellung mit auf den Weg geben, die mir geholfen hat. Deshalb muss ich mich nicht gleich von einem Roboter segnen lassen, aber ich bin auch nicht unbedingt auf einen konkreten Menschen vor Ort angewiesen.
Wenn es stimmt, dass Gott uns umgibt und in uns ist wie die Luft die wir atmen, dann ist auch sein Segen immer in uns und um uns. Seine Liebe, seine Barmherzigkeit und Gnade, seine Güte. Dann kennt er alle unsere Gedanken, all das, was uns sorgt oder wie ein Berg vor uns steht. Wir leben gewissermaßen und Gott umgibt und umhüllt uns.
(Wie Radiowellen übrigens, die wir ja auch nicht sehen und die trotzdem da sind).
Wenn nun ein Segen gesprochen wird, dann bezieht sich derjenige, der ihn spricht auf diesen unendlichen Strom göttlicher Güte, der uns umgibt und bringt ihn für uns in einer besonderen Situation zum Leuchten. Wie wenn in unserem Leben für eine bestimmte Situation ein Licht angezündet wird, ein bestimmter Streckenabschnitt besonders angeleuchtet wird.
Und wir empfangen den Segen, der aus dem unendlichen Strom der Güte Gottes kommt, die uns umgibt und beziehen ein Segenswort und eine Segenshandlung auf eine ganz bestimmte Situation in unserem Leben. Und fühlen uns dadurch gestärkt, geborgen, eben gesegnet.
Der Segen, der uns erreicht, kann uns aber auf ganz unterschiedliche Weise vermittelt werden. Und das Wort „vermittelt“ sagt, dass es da einen Mittler oder ein Medium gibt, durch das oder den der Segen zu uns kommt. Das muss nicht durch einen konkreten Menschen geschehen, der vor uns steht. Dieser Mensch spricht möglicherweise durch ein Telefon und ist gerade an einem ganz anderen Ort. Oder es ist ein geschriebenes Wort, eine Karte, ein Bild. Oder das Medium sind elektrische Wellen, durch die ein Fernsehprediger uns in unserer Situation anspricht. In einem Gottesdienst, der möglicherweise gar nicht in diesem Moment stattfindet, sondern vor drei Wochen stattgefunden hat und auf einem Speichermedium lag, das nun abgespielt wird.
Deshalb denke ich, dass uns Segen auch erreichen kann, wenn er aus einer Stimme kommt, die aus einem Blechkasten spricht und uns dadurch auf Gottes gute Gegenwart in unserem Leben aufmerksam macht.
Die Frage dabei ist dann ja nicht nur, wer den Segen weitergibt, sondern wie offen ich als Empfänger eines Segenswortes bin. Wie offen bin ich für das Medium, den Mittler, der mich auf den Strom unendlicher Güte Gottes aufmerksam macht.
Und da ist jeder Mensch anders. Überlegt mal, auf welch unterschiedlichen Wegen euch schon der Segen Gottes erreicht hat. Wer hat den Segen losgeschickt? Welches Medium wurde verwendet? Und warum hat mich gerade dieser Segen erreicht? Es hängt eben auch von mir, meiner Situation und meiner Einstellung ab, was mich erreicht.
Segnet uns ein konkreter Mensch vor Ort, kommt noch etwas hinzu, das sonst fehlt: eine Beziehung, die mit Sympathie zu tun hat, vielleicht auch mit Freundschaft oder Liebe. Und ob ich mich von diesem Menschen gerne segnen lassen will, weil ich denke, dass er aufrichtig und bewusst versucht, ein gutes Medium für den Segen Gottes zu sein.
Und für den segnenden Menschen kommt noch hinzu, dass er tatsächlich auch etwas von der Güte und dem Segen Gottes spürt, den er weitergibt. Der Segnende ist ebenso gesegnet.
Aber abhängig ist der Strom der Segensgüte Gottes, die mich umgibt, davon nicht. Gott kennt viele Wege, uns seine Güte nahezubringen.
Ein Segenswort, das mir schon oft gut getan, ist uralt und steht im Propheten Zephanja im Alten Testament. Versteht ihr? Es steigt gewissermaßen aus den Tiefen der Geschichte und aus einer völlig anderen Situation herauf und zeigt uns heute, am 15.02.2109 etwas von dem Segensstrom Gottes, der uns damals und heute umgibt. Möge es in euch ein Licht anzünden und zum Segen werden, der euch stärkt und aufrichtet. Dort heißt es: „Der Herr, dein Gott, ist bei dir, ein starker Heiland. Er wird sich über dich freuen und dir freundlich sein, er wird dir vergeben in seiner Liebe und wird über dich mit Jauchzen fröhlich sein.“
Und in diesem Sinn wünsche ich euch einen gesegneten Abend und ein solches Wochenende. Amen

Predigt vom 03.04.16 ES; 10.04.13 HE 1. Petrus 1, 3-9 (Lebendige Hoffnung)

Es geht mir heute Morgen um das wichtige Thema „Hoffnung“. Man sagt so einfach „Die Hoffnung stirbt zuletzt“. Und uns allen ist klar, wenn es in einer Situation erstmal keine Hoffnung mehr gibt, dass sie eigentlich auch schon am Ende ist. Adam Hamilton zitiert in seinem Buch „24Stunden – der Tag, der die Welt veränderte“ einen Arzt, der in einem Buch geschrieben hat: „Hoffnung gibt uns den Mut, uns unseren Umständen zu stellen, und die Fähigkeit, sie zu überwinden. Für alle meine Patienten erweist sich Hoffnung, echte Hoffnung, als genauso wichtig wie jedes Medikament, das ich verschreibe, oder jede Behandlung, die ich durchführe“. Ein Zitat, das ich mal gelesen habe, lautet „Ohne Hoffnung ist man nur ein Toter auf Urlaub“.

Dieser Tage habe ich eine Geschichte gelesen, die geht so: Ein Mensch verirrte sich in der Wüste. Die unbarmherzige Sonnenglut hatte ihn ausgedörrt. Da sah er in der Entfernung eine Oase. Aha, eine Fata Morgana, dachte er, eine Luftspiegelung, die mich zum Narren hält, die gar nicht da ist. Er näherte sich der Oase, aber sie verschwand nicht. Er sah immer deutlicher, die Dattelpalmen, das Gras und vor allem die Quelle. Natürlich eine Hunger-Phantasie, die mir mein halb wahnsinniges Gehirn vorgaukelt, dachte er. Jetzt hörte er sogar das Wasser sprudeln. Eine Täuschung meiner Ohren, dachte er. Kurze Zeit später fanden zwei Beduinen ihn tot da liegen. „Kannst du so etwas verstehen“, fragte der eine den anderen. „Die Datteln wachsen ihm beinahe in den Mund, und dicht daneben verhungert er. Er fällt beinahe in die Quelle hinein. Und dicht daneben verdurstet er. Wie ist das möglich?“ Da antwortete der andere: „Er war ein Mensch ohne Hoffnung.“

Für uns Menschen ist Hoffnung überlebenswichtig. Wir Christen sind hier in einer bevorzugten Situation, denn Hoffnung gehört zu den Hauptsäulen des Glaubens. In unserem Predigttext, gleich zu Beginn des 1. Petrusbriefes heißt es: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! In seinem großen Erbarmen hat er uns neu geboren und mit einer lebendigen Hoffnung erfüllt. Diese Hoffnung gründet sich darauf, dass Jesus Christus vom Tod auferstanden ist“.

Gerade weil Hoffnung ein Grundelement christlichen Glaubens ist kann der Schreiber dann im dritten Kapitel des 1. Petrusbriefes sogar schreiben: „Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist“ (3,15).

Das Thema Hoffnung ist also nicht nur ein allgemein menschliches, sondern im Besonderen auch ein christliches. Der Schreiber des 1. Petrusbriefes geht davon aus, dass Christen Hoffnung haben. Hoffnung, über die wir anderen Menschen erzählen können. Hoffnung, die an Ostern ihren Anfang nimmt. Hoffnung, die für alle Menschen lebensnotwendig ist und die natürlich vor allem in hoffnungslosen Zeiten wichtig wird.

Sind wir Menschen der Hoffnung? Sind wir solche, die in unserer Umgebung vor allem durch unsere Hoffnung auffallen? Was ist das überhaupt – christliche Hoffnung? Kann man Hoffnung haben, angesichts von Terroristen, die Familien, Frauen und Kinder auf einem Spielplatz wegen ihres christlichen Glaubens zu Tode bomben? Und was unterscheidet diese Hoffnung möglicherweise von einer billigen Vertröstung auf das Jenseits? Dem will ich ein wenig nachgehen.

Nun könnte man meinen, dass das für die ersten Christen leichter war als für uns. Damals war die Auferstehung Jesu Christ ja noch ganz frisch und viele Menschen glaubten, dass sie nicht sterben werden, ehe Jesus die ganze Welt erneuern würde. Inzwischen sind über 2.000 Jahre vergangen…

Ich würde sagen, das Prinzip Hoffnung begann schon damals zu bröckeln. Sonst hätte Petrus in seinem Brief nicht solch großen Wert darauf legen müssen. Die Zeiten waren keinesfalls leichter als bei uns heute. Eher schwerer. Der Brief beginnt mit den Worten: „Petrus, ein Apostel Jesu Christi, an die Fremdlinge, die verstreut wohnen in Pontus, Galatien, Kappadozien – und noch anderen Orten. Die Christen waren geflüchtet und geflohen aus ihren Heimatländern. Es herrschten große Verfolgungen durch die Kaiser Nero, Domitian und Trajan. Sie lebten in der ständigen Gefahr, wegen ihres Glaubens bestraft zu werden oder gar ihr Leben zu verlieren. Die Weigerung, sich am Kaiserkult zu beteiligen, was einem Staatsverbrechen gleichkam, machte die Christen zu echten Außenseitern in ihren Gesellschaften. Reichte ihre Hoffnung aus, das auf Dauer zu ertragen?

Außerdem gingen die Jahre ins Land und Christus war bisher nicht wiedergekommen. Menschen wurden wegen ihres Glaubens umgebracht, andere wandten sich in ihrer Furcht vom christlichen Glauben ab und kehrten zum Kaiserkult zurück, wieder andere blieben lieber zuhause als in die Gemeinde zu gehen. Und die verstreuten Christen waren keine großen, dynamischen Gemeinden. Sie lebten mehr schlecht als recht in kleinen, verschwiegenen Gruppen, die sich eher heimlich als öffentlich trafen.

Es war eher so, dass die Hoffnungslosigkeit zunahm als die Hoffnung. Worauf sollen denn die Christen denn hoffen? Und in diese Situation hinein schreibt Petrus: In seinem großen Erbarmen hat Gott uns neu geboren und mit einer lebendigen Hoffnung erfüllt. Diese Hoffnung gründet sich darauf, dass Jesus Christus vom Tod auferstanden ist“.

Die Hoffnung von uns Christen ist darin begründet, dass einer schon mal von den Toten auferstanden ist. In ihm hat Gott gezeigt, was der Welt blüht: ein Leben, in dem der Tod keinen Platz mehr hat, auch kein Leid, kein Geschrei, kein Schmerz. Das Reich Gottes.

Neu geboren mit einer lebendigen Hoffnung.

Wie erklärt man diese Hoffnung?

Nun, ich kann euch sagen, wie ich das verstehe. Hoffnung bedeutet für mich, dass ich fest daran glaube und darauf setze, dass Jesus tatsächlich von den Toten auferstanden ist. Das bedeutet für mich, dass nicht die Gewalt und die Angst am Ende gewinnen werden, sondern Gott. Der Gott, den ich als Vater Jesu Christi kennen gelernt habe und an den ich glaube. Er hat vom nahen Reich Gottes gesprochen und er hat es meines Erachtens so verstanden, dass wir Menschen die guten Werte Gottes im Leben erkennen und fördern sollen.

Gott stellt nicht die Macht oben an, er setzt nicht auf Gewalt und Zwang. Nein, Gott setzt auf Liebe und Barmherzigkeit. Er setzt auf Gerechtigkeit. Er setzt auf Einsicht und Freiwilligkeit. Er setzt auf Freundlichkeit, auf Maßhalten, auf Demut. Darauf, dass letztlich das Recht siegt und nicht der Stärkere. Und Gott setzt auf Gnade. Er setzt deshalb auf Gnade, weil wir Menschen immer und immer wieder an den oben genannten Dingen scheitern. Selbst wenn wir noch so gute Menschen wären, wir bleiben immer wieder etwas schuldig. Und deshalb setzt Gott auf Gnade. Keine billige Gnade, die man  nachgeschmissen bekommt. Sondern wie Bonhoeffer es einmal gesagt hat, auf eine teure Gnade, die uns Menschen durchaus auch unsere Schuld vor Augen malen kann. Wir sollen ruhig sehen was wir anrichten.

Und weil Jesus Christus, der von einem solchen Reich Gottes gesprochen hat, nicht einfach umgebracht und verscharrt worden ist, sondern auferstanden ist, deshalb kann ich glauben, dass diese Idee vom Leben nicht bloß ein frommer Wunsch ist.

Man kann, wie es die Humanisten tun, natürlich auch feststellen, dass diese Werte von denen Jesus Christus sprach, auch gültig und wichtig sind ohne dass man dafür an Gott glauben muss. Das mag durchaus sein. Die Werte der Menschlichkeit gelten auch ohne Gott und Jesus Christus.

Aber der Glaube an Jesus Christus macht diese Werte noch zu etwas anderem als nur zu einer humanistischen Idee. Er macht sie zur Idee Gottes vom Leben. Und gibt ihnen damit noch eine ganz andere Gültigkeit. Es sind nicht nur wir Menschen, die darauf kommen, dass wir Menschen doch bitte menschlich miteinander umgehen sollen. Es ist Gott, der sagt: als meine Ebenbilder möchte ich, dass ihr wahrlich Menschen seid, die menschlich miteinander leben.

Weil ihr hier immer wieder schuldig werdet, biete ich euch an, auch dieses Problem für euch zu lösen. Jesus Christus stirbt für euch und macht euch so deutlich, wie groß die Schuld ist und wie groß meine Gnade. Weil ich euch gnädig bin, könnt auch ihr letztlich gnädig miteinander umgehen. Trotz Schuld.

Die Auferstehung Jesu von den Toten macht aus einer guten menschlichen Idee, eine göttliche Idee. Macht deutlich, dass Gott für diese Art von Leben steht. Und dass diese Idee auch über den Tod hinaus gültig ist. Der Tod beendet nicht die Idee von einem menschlichen Umgang miteinander.

Dass ich daran festhalten möchte und immer wieder festhalte, ist für mich Hoffnung.

Vieles im Leben kann einem die Kraft rauben. Man ist müde, man sieht das eigene Elend. Man macht Fehler. Man enttäuscht andere. Man enttäuscht sich selbst. Und dann sieht man so viel Gewalt und Krieg. Menschen töten Menschen. Oft setzt sich nicht der Friedvollere durch, oder der Gnädigere oder der Gerechtere. Man hat an vielen Stellen in unserem Leben das Gefühl, der Stärkere und Mächtigere setzt sich durch. Und sie scheinen damit durchzukommen. Die Angst nimmt zu, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Angst nimmt zu, es nicht zu schaffen. Angst, nicht zu überleben. Angst am Ende der Dumme zu sein. Angst raubt einem die Hoffnung.

Diese Angst mündet in Resignation. Lange bevor man am Ende der eigenen Möglichkeiten angekommen ist. Angst verhindert, dass man weitergeht. Angst lässt einen aufhören, bevor es zu Ende ist.

Schon im normalen Leben sehen wir, dass man es ohne Hoffnung nicht schafft, bis zum Ende durchzuhalten. Das sieht man nicht nur in Fußballspielen oder überhaupt beim Sport. Man sieht es auch, wenn wir krank sind oder wenn wir schwere Zeiten durchleben und Dinge nur noch missglücken. Das sieht man in der Politik und in der Wirtschaft.

Gerade weil Jesus Christus von den Toten auferstanden ist, können wir daran festhalten, dass nichts zu Ende ist, bevor es zu Ende ist. Und zu Ende ist es noch nicht einmal mit dem Tod.

Adam Hamilton schreibt in seinem Buch: Auferstehung bedeutet, dass das Schlimmste nie das Letzte ist“.

Was bedeutet das konkret im Leben? Für mich bedeutet dies, dass man Christen an ihrem langen Atem erkennt. Oder vielleicht erkennen sollte.

In einer Predigt habe ich gelesen: „Wir leben in einer ungeduldigen Welt. Wer nicht auf den Himmel hofft, der muss auf Erden alle Lösungen parat haben -oder er resigniert“.

Es ist mitunter ein schwieriger Weg zwischen Allmachtsfantasien und Ohnmachtsdepressionen. Wir lassen uns nicht beirren. Weder als Einzelne noch als Gemeinde. Wir gehen unseren Weg des langen Atems und hoffen auf ein gutes Ende. Wir widerstehen denen, die uns Hauruck- oder Patentlösungen anbieten, die den Himmel auf Erden errichten oder erkämpfen wollen. Wir widerstehen aber auch denen, die in Apathie und Resignation verfallen und sich vor der Hölle auf Erden wegducken und klein beigeben wollen.

Es ist mitunter ein wenig spektakulärer Weg, dieser Weg einer lebendigen Hoffnung. Er führt durch diese Welt und hofft das Beste für sie. Wir beten zu Gott und hoffen auf seine unendlichen Möglichkeiten. Wir wissen aber zugleich um unsere eigenen Grenzen.

Seit über 2000 Jahren gehen Christen und Gemeinden nun diesen Weg. Und sie bekennen gemeinsam: Er wird kommen zu richten die Lebenden und die Toten. In der Zwischenzeit bauen wir Kirchen und Kindergärten, Krankenhäuser und Altersheime. Wir kümmern uns um diejenigen, die Hilfe brauchen und geben uns die größte Mühe, auch Flüchtlinge unter uns willkommen zu heißen. Wir gestalten Gemeindeleben und feiern Gottesdienste, in denen wir die Hoffnung, die uns die Auferstehung Christi geschenkt hat, hoch halten und feiern. Im gemeinsamen Lob, im gemeinsamen Gebet, Wort und Sakrament. Vieles davon ist nicht staatstragend, bringt nicht immer neue Christen hervor oder ist immer hochheilig. Vieles ist alltäglich und mitunter banal.

Nach den Brüsseler Anschlägen hat der Kölner Kardinal Woelki gesagt, dass wir jetzt, eine Tage danach, nicht einfach wieder zur Tagesordnung zurückkehren können und Ostern feiern als ob nichts geschehen wäre.

Natürlich sind wir erschüttert und versuchen, mit den vielen Opfern mitzutrauern. Natürlich entsteht dort auch Angst um das eigene Leben. Aber was gäbe es angesichts solcher Anschläge für eine bessere Reaktion als mit Ostern die Hoffnung für die Welt zu feiern und zu proklamieren. Das ist unsere Tagesordnung. Wir setzen dem Schrecken dieser Welt die Hoffnung des Auferstandenen entgegen.

Der 89jährige Theologe Jürgen Moltmann sagte vor einigen Tagen in Tübingen: „Angst ist eine Vorwegnahme des Terrors, Hoffnung ist eine Vorwegnahme der Freude.

In der Stuttgarter Zeitung konnte man am 29. März anscheinend lesen: „Man muss die Angst in sich überwinden, und das geht nur über die Kraft der Hoffnung.“

Ehrlich gesagt, ich bevorzuge die Hoffnung. Daran will ich festhalten und lade euch ein, es ebenfalls zu tun. Wie heißt es im ersten Petrusbrief: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! In seinem großen Erbarmen hat er uns neu geboren und mit einer lebendigen Hoffnung erfüllt. Diese Hoffnung gründet sich darauf, dass Jesus Christus vom Tod auferstanden ist.

4 Sie richtet sich auf das neue Leben, das Gott schon jetzt im Himmel für euch bereithält als einen Besitz, der niemals vergeht oder verdirbt oder aufgezehrt wird.

5 Wenn ihr Gott fest vertraut, wird er euch durch seine Macht bewahren, sodass ihr die volle Rettung erlangt, die am Ende der Zeit offenbar wird.“

Das ist unsere Hoffnung, darauf setzen wir.

Amen

Copyright Pastor Markus Bauder, April 2016

Predigt vom 6.03.2016 – Markus 15,1-15 (Jesus Barrabas, Pontius Pilatus)

Ich möchte euch heute zwei Männer etwas genauer vorstellen. Zwei Männer, die in der Passionsgeschichte eine Rolle spielen. Zwei Männer, die durchaus unterschiedlich sind. Und – was mich ein bisschen verblüfft hat, die in der Kirche und unter uns Christen unterschiedlich bewertet werden. Vor allem der Eine – Pontius Pilatus. Über den anderen, Jesus Barrabas, wissen wir nicht so viel, aber er steht für etwas, was es damals durchaus häufiger gab und das uns auch etwas über uns als Menschen sagen kann.

Blicken wir auf Pontius Pilatus. Diejenigen von Euch, die gerade das Buch „24Stunden – der Tag, der die Welt veränderte“ lesen, haben da schon ein bisschen was mitgekriegt.

Pilatus war der römische Gouverneur der Provinz Judäa. Er wurde vom Kaiser Tiberius eingesetzt und verwaltete die Provinz 10 Jahre lang vom Jahr 26 bis 36 nach Christus. Dass er 10 Jahre die unruhigste Provinz Roms einigermaßen friedlich halten konnte, gilt als Indiz dafür, dass Pilatus klug und durchsetzungsstark war. Er war auch als kalt und grausam bekannt. Angeblich wurde er gegen Ende seiner Herrschaft abgesetzt und nach Rom zum Rapport beordert. Ihm wurden verschiedene Vergehen wie Bestechung, Beleidigung, Raub, Gewalttätigkeit und Anderes vorgeworfen.

Die Römer legten großen Wert auf ihr Rechtssystem. Hohe Verwaltungsbeamte konnten durchaus nicht alles machen, was sie wollten. Allerdings weiß man bei Pilatus nicht genau, ob die Vorwürfe tatsächlich zutrafen oder ihm nur vorgeworfen wurden, weil ihn jemand loswerden wollte.

Man weiß auch nicht, ob Pilatus jemals zur Rechenschaft gezogen wurde. Kaiser Tiberius starb bevor Pilatus in Rom ankam und seine Spur verliert sich. Manche sagen, er hätte Selbstmord begangen. Wieder andere vermuten sein Grab in Frankreich. Aber es gibt auch noch andere Legenden.

Auffällig in den Evangelien ist, dass Pilatus Jesus eigentlich nicht verurteilen will. Er will Jesus frei lassen. Pilatus sieht in Jesus keine Schuld, die den Tod verdient hätte. Er hat vor Jesus und seinem Reich, selbst wenn er ihn als König der Juden bezeichnet, keine Angst. Jesus wird ihm nicht gefährlich. Ziemlich deutlich wird, dass Pilatus davon ausgeht, dass der Hohe Rat Jesus tot sehen will und sie dazu Pilatus brauchen. Wenn man die Texte liest, versucht er sogar ziemlich viel, um Jesus den Tod zu ersparen. Zuerst versucht er den Hohen Rat zu überzeugen. Dann schickt er ihn, als er hört, Jesus sei aus Galiläa, zu Herodes Antipas, dem Verantwortlichen für Galiläa. Wieder versucht er den Hohen Rat umzustimmen. Dann versucht er, Jesus über den Gnadenakt den Tod zu ersparen. Sogar seine Frau Claudia lässt ihm noch mitteilen, er möge Jesus frei lassen. Sie habe einen bösen Traum gehabt. Allein, es gelingt ihm nicht, die Verantwortung los zu werden und den Hohen Rat umzustimmen. Und dann fällt er, man könnte durchaus sagen, in die Enge getrieben, das entscheidende Urteil.

Als ich die Texte letzte Woche noch einmal gelesen habe, konnte ich mir gut vorstellen, wie er zu Jesus am Ende sagt: Tut mir leid, ich habs versucht. Aber jetzt kann ich nicht anders.

Ich habe vorhin gesagt, dass Pilatus hart, klug und durchsetzungsstark war. Dazu gehört bei ihm auch, so verstehe ich das, ein politischer Opportunismus. D.h. er weiß genau, was er tun muss, um die Bevölkerung ruhig zu halten. Er weiß, was er tun muss, um mit der jüdischen Obrigkeit einigermaßen klar zu kommen. Er weiß, dass er den Hohen Rat braucht. Er weiß, was er tun muss, um seine Position, seine Macht zu halten und zu verteidigen. Und er ist skrupellos genug, dann zu tun, was nötig ist. Auch, wenn es Menschenleben kostet.

Man könnte auch sagen, er hat seinen Machiavelli gelesen. Auch wenn Machiavelli erst im 15. Jahrhundert gelebt hat. Es bedeutet, dass Pilatus genau wusste, wie Machtpolitik funktioniert. Aber damit unterscheidet er sich in nichts von anderen, auch heutigen Machtpolitikern.

Ehrlich gesagt, habe ich für solche Leute durchaus Verständnis. Denn zu einem König oder Kanzler oder Präsidenten gehört eben nicht nur eine hohe moralische Integrität. Gehört nicht nur Klugheit. Sondern es gehört auch die Bereitschaft dazu, sich durchzusetzen…

Menschen, die diesem Pilatus nicht wohlgesonnen sind, würden ihn für einen windigen Weichling halten, der nicht genügend Rückgrat hat, sich dem Hohen Rat entgegenzustellen. Dass er sein Fähnchen nach dem Wind hängt und ihm seine Macht wichtiger ist als Menschenleben.

So kann man es auch beschreiben oder bewerten. Klar ist, dass er in den Augen der damaligen Berichterstatter ein relativ normaler, starker Gouverneur war. Er hat die Interessen Roms vertreten und durchgesetzt.

Allerdings waren die Christen von Anfang an sehr zwigespalten, wie sie das Handeln des Pilatus deuten sollen. Wenn es der Plan Gottes war, dass Jesus sterben musste, dann war Pilatus das Werkzeug Gottes. Deshalb wurde er in manchen Kirchen der damaligen Zeit als Heiliger verehrt. Er hat getan, was er nach Gottes Plan tun musste.

Andere verurteilten ihn als den Gottesmörder.

Genauso übrigens auch seine Frau Claudia. Sie ließ ja ihrem Mann ausrichten, er solle die Finger von diesem Mann lassen. Weil sie versuchte, Jesus vor dem Tod zu bewahren, wurde sie bald darauf in manchen Kirchen als Heilige verehrt. In der orthodoxen Kirche übrigens bis heute.

Andere sehen in ihrem Versuch, Jesu den Tod zu ersparen eine Versuchung des Teufels. Sie wollte Jesus von dem Weg, den Gott vorgesehen hat, abbringen. Diese anderen haben sie dann ebenso verurteilt wie verteufelt.

Jesus selbst hat das Handeln des Pilatus nicht bewertet oder verurteilt. An manchen Stellen hatte ich beim Lesen das Gefühl, er hat vielleicht sogar Mitleid mit ihm. So als ob Jesus klar ist, dass Pilatus aus dieser Zwickmühle nicht herauskommt. Und am Ende tut Pilatus was er tun musste.

Jesus stirbt auch für ihn am Kreuz. Den römischen Gouverneur, der versuchte, seine Hände in Unschuld zu waschen. Dem das aber nicht wirklich gelungen ist. Bis heute nicht. Keiner von uns kann seine Hände in Unschuld waschen.

Jesus Barrabas war derjenige, den Pilatus anstelle Jesu frei ließ. Er war damit der erste, der durch den Tod Jesu begnadigt wurde. Jesus Christus starb für Jesus Barrabas.

Bei Hamilton können wir lesen, dass Barrabas vermutlich eine Art jüdischer Aufrührer war. Einer, der das getan hat, was viele sich von Jesus Christus erhofft hatten. Dass er nämlich die Römer angriff und versuchte, sie mit Gewalt aus dem Land zu jagen. Er war einer von der Art Messias, wie ihn sich die Leute erhofft hatten. Einer, der sich nicht mit Worten zufriedengab. Einer, der durchgriff. Einer, der auch bereit war, sein Leben und das Leben anderer für die Freiheit zu opfern. Man spricht davon, dass es zwischen der Geburt Jesu und der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 bis zu 13 solcher Messiasse gab, die sich teilweise auch selbst so bezeichnet haben. Sie versuchten das Volk Gottes mit Gewalt zu befreien und es gab viele, die ihnen nachgelaufen sind. Manchen nur wenige Dutzend, einer brachte es sogar auf bis zu 6.000. Alle wurden sie zum Tod verurteilt und hingerichtet.

Jesus ist ein völlig anderer Messias. „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ sagt er im Johannesevangelium zu Pilatus. Aber wer will das denn schon hören? Die Menschen wollen Barrabas. Sie wollen einen, der auch mal durchgreift. Der vom Reden zum Handeln kommt. Der keine Angst vor den Konsequenzen hat. Und manchmal braucht es eben auch „laute“ Argumente.

So nachvollziehbar und gut manche Wünsche und Ideen unter uns Menschen auch sein mögen. Wer dabei auf Gewalt setzt, setzt auf Barrabas. Und nicht auf Jesus Christus. Diejenigen, die Flüchtlingsheime anzünden, setzen auf Barrabas. Diejenigen, die einfach die Grenzen zumachen, setzen auf Barrabas. Diejenigen, die sagen – es braucht einen, der durchgreift. Mit Macht, setzen auf Barrabas.

Pilatus lässt dem Volk die Wahl. Wir haben immer wieder die Wahl. Setzen wir auf Barrabas? Oder auf Jesus Christus? Setzen wir auf militärische Stärke, auf Macht und Durchsetzungsfähigkeit auch um manchen Kollateralschäden willen. „Wo gehobelt wird, da fallen Späne“, man kann nicht nach jedem gucken und ich muss ja zuerst einmal nach mir selbst sehen.

Völlig verständlich. Aber ist das auch der Weg Gottes?

Da sehen wir sie vor uns. Pilatus und Barrabas. Beide sind sie Kinder ihrer Zeit. Eingebunden in die Machtverhältnisse ihres Landes. Beide sind sie bereit, für ihr Leben und ihre Idee vom Leben ihre Energie einzusetzen. Ja sogar Leben zu opfern. Pilatus steht für Rom und ist hart und entschieden genug, den Weg zu gehen, der Rom und ihm selbst seine Macht und seine Position sichert.

Barrabas steht für Israel und den Wunsch nach Freiheit. Auch er ist bereit, für seine Idee vom Leben zu kämpfen, ja sogar Menschenleben aufs Spiel zu setzen. Er weiß zwar, dass dieser Kampf auch seinen Kopf kosten kann, aber der Preis scheint ihm nicht zu hoch.

Der Weg Jesu war ein anderer. Zwar kämpft auch Jesus. Aber mit sich selbst. Auch er ringt um sein Ziel. Auch er will sein Ziel erreichen. Aber sein Ziel unterscheidet sich doch ganz grundsätzlich von den Zielen des Pilatus oder Barrabas. Sein Ziel war, uns Menschen zu zeigen, wie Gott ist. Und dass Gott jeden Menschen liebt. Und bereit ist, für das Heil jedes einzelnen Menschen alles zu tun. Man könnte auch sagen für das Paradies oder den Himmel eines jeden Menschen alles zu tun. Und deshalb ist sein Weg, dieses Ziel zu erreichen der Weg konsequenter Gewaltlosigkeit. Er setzt auf den Weg des Dienens und des Opfers. Er setzt auf Vergebung und Liebe. Er setzt auf Demut und Barmherzigkeit. Und das im Namen Gottes.

Etwas Unglaubliches! Im Namen Gottes! Im Namen eines Gottes, der sein Ziel nicht mit Gewalt erreichen will. Der seine Stärke nicht dadurch zeigt, dass er den Willen und die Zustimmung der Menschen erzwingt. Sondern indem er konsequent, aber ohne Gewalt und Hass seinen Weg bis zum Ende geht.

Um zu zeigen, dass er diesen Weg auch bis zum Ende geht, ging Jesus in den Tod. Ja, man könnte auch sagen, er musste ihn bis zum Tod gehen. Denn nur so kann man die Geradlinigkeit dieses Weges erkennen. Nur so kann man sehen, dass Jesus bereit war, den Preis zu bezahlen.

Warum musste Jesus sterben? Weil Gottes Wunsch, alle Menschen im Himmel oder im Paradies zu sehen, nur so erreicht werden kann.

Wir Menschen setzen fast immer lieber auf Barrabas oder Pilatus. Und deshalb konnte uns Gott nur an sich selbst zeigen, wie der Weg ins Paradies geht. Weil man an den Ort des Friedens nicht mit Gewalt hinkommen kann. Wenn wir von Gott, vom Himmel oder vom Glück des Menschen reden und damit einen Ort meinen, an dem Frieden und Glück sind, dann kann der Weg dorthin nicht mit Leichen gepflastert sein.

Ich verstehe bis heute nicht, wie auf dieser Erde auch nur ein Mensch auf die Idee kommen kann, dass man sich den Weg ins Paradies erkämpfen kann. Mit Gewalt erzwingen kann. Kann man nicht. Weil der Ort des Friedens keinen Platz lässt für Gewalt. Und auch der Weg dorthin niemals ein Weg der Gewalt sein kann…

Pilatus und Barrabas, das Volk – man könnte auch sagen wir, haben nur eine Chance auf den Himmel, wenn Jesus für Barrabas und Pilatus und für uns, seinen Weg weitergeht und den Tod auf sich nimmt. Jesus stirbt für Pilatus und Barrabas. Und gibt ihnen so eine Chance, ihre Schuld loszuwerden.

So verständlich es ist, dass wir in unserem Leben oft auf Barrabas und Pilatus setzen, so notwendig ist es auch, uns von diesen Zwangsläufigkeiten zu erlösen.

Ja, man kann sogar sagen: so sinnvoll und gut es manchmal scheint, auf Barrabas und Pilatus zu setzen, es geht nie ohne Schuld. Selbst wenn es dafür keine Strafe gibt und staatliche Gewalt in unseren Augen notwendig ist. Wenn Menschen gezwungen werden, wenn auf Stärke und Macht gesetzt wird – entsteht immer auch Schuld. Niemand kann seine Hände in Unschuld waschen.

Deshalb brauchen wir Jesus Christus. Deshalb brauchen wir Gott. Und seinen Weg der Vergebung und Gnade. Wirf dich auf diesen Jesus und du wirst durch seinen Tod erlöst. Häng dich an ihn und du wirst, wie es im Bild der Taufe deutlich wird, durch seinen Tod mit in seine Auferstehung hineingenommen. Völlig ohne Gewalt wird dein Leben erlöst. Völlig ohne Zwang und Macht löst sich Schuld auf. Und du kannst ankommen im Reich des Friedens.

Hoffentlich motiviert dich dies, schon hier und jetzt, da und dort nicht mehr nur auf Barrabas und Pilatus zu setzen. Sondern auf Jesus. Schon hier und jetzt nicht den Weg der Gewalt und Stärke zu wählen, sondern den Weg der Gnade und Barmherzigkeit. Schon jetzt auf Vergebung zu setzen, statt auf Härte.

Jesus antwortet Pilatus auf die Frage, ob er eine König sei, mit den Worten: „Ja, ich bin ein König. Ich wurde geboren und bin in die Welt gekommen, um die Wahrheit offenbar zu machen und als Zeuge für sie einzutreten. Wem es um Wahrheit geht, der hört auf mich“. Darauf sollten wir setzen. Amen.

Copyright Pastor Markus Bauder, März 2016

Predigt vom 28.02.2016 – Markus 14,66-72 (verleugnet)

In der heutigen Predigt geht es wieder um einen Abschnitt aus dem Buch „24Stunden – der Tag der Welt veränderte“. Wir beschäftigen uns damit als Bezirk in der Passionszeit. Wir tun dies auch in Gemeindegruppen.

Der heutige Abschnitt beschäftigt sich mit zwei Situationen. Einmal die Geschichte, in der Jesus zum Tod verurteilt wird. Weil er behauptet hat, dass er der Messias sei. Es waren nicht die Bösen, die Jesus verurteilt haben, sondern die klügsten und frömmsten Köpfe damals. Leute, die es durchaus ernsthaft gemeint haben und die vermutlich tatsächlich dachten, sie täten damit das Richtige.

Die zweite Situation der Geschichte handelt von Petrus, wie er Jesus verleugnet. Der treuste und mutigste Jünger Jesu ist ihm zwar hinterhergeschlichen – anders als die anderen. Aber als es zur Konfrontation kommt ist er eingeknickt. „Ich – nee, ich kenn den nicht. Da gehör ich nicht dazu…“

Auf Bildern sieht man es manchmal, dass danach nicht nur der Hahn zum zweiten Mal kräht, sondern Jesus ihn auch noch anschaute. Im Lukasevangelium wird von diesem Blick erzählt. Ihre Blicke begegnen sich und dann bricht der rauhbeinige Fischer und Anführer der Jünger zusammen.

Weil wir uns letzte Woche in der offenen Gemeindegruppe ausführlich mit der Verurteilung Jesu durch den Hohen Rat befasst haben, beschäftige ich mich heute mit der Verleugnung Jesu durch einen seiner besten Freunde.

Dieser Zwischenfall ist einer der wenigen, der in allen Evangelien erzählt wird. Also können wir davon ausgehen, dass er wichtig ist. Und wir können ebenfalls davon ausgehen, dass diese Geschichte nicht erzählt wird, um Petrus zu beschämen oder schlecht zu machen. Denn vermutlich hat sie ja sogar Petrus selbst weitererzählt. Er war ja der einzige in der Kirche, der diese Geschichte kannte. Und die Evangelien wurden ja auch erst fertig geschrieben als Petrus längst als Märtyrer an einem Kreuz gestorben war. Er ist also kein weiteres Mal ein Verleugner Jesu geworden ist.

Man kann davon ausgehen, dass diese Geschichte für Petrus einer der wichtigsten und prägendsten Einschnitte in seinem Leben war. Der ihn vielleicht mehr verändert hat als viele andere Erlebnisse mit Jesus.

Petrus, der Verlierer – der Gescheiterte. Heute also Worte für die Verlierer und Gescheiterten. Ich habe ein Weilchen überlegt, ob man eine solche Predigt halten kann … Man kann nicht nur, man muss…

Man muss deshalb, weil Niederlagen und Scheitern im Leben viel schlimmer ist als das meiste andere. Und weil das eben auch den Glaubenden passiert.

Wobei das vielleicht auch nur eine Vermutung ist und es anderen gar nicht so geht. Bei mir ist es allerdings so, dass ich in früheren Zeiten ein ganz schlechter Verlierer war. Inzwischen hab ich dazugelernt. Ich bin ein nicht mehr ganz so schlechter Verlierer. Und meist nur ganz kurze Zeit…

Aber auch heute noch möchte ich nicht wirklich zu den Verlierern gehören. Selbst wenn es sich nur um „Mensch ärgere Dich nicht“ handelt.

Im Sport und Spiel – da gehört es dazu, dass man gewinnt und verliert. Aber nicht nur dort. Auch in unserem Leben ist es oft so, dass – vor allem Männer – das Leben als eine Herausforderung begreifen, in der es eben auch ums Gewinnen oder Verlieren geht.

Sei es im Berufsleben. Man muss erfolgreich sein. Das Spiel und die Regeln beherrschen und verstehen. Und es ist selbstverständlich, dass man fast ständig versucht, sein Leben und seine Arbeit so zu gestalten, dass man sich zu den Gewinnern oder zumindest zu den Guten rechnen kann.

Selbst im Glauben ist das so. Männer reden auch da nicht gern von ihren Niederlagen. Schwächen spielen kaum eine Rolle. Wir tun lieber so als sei alles in Ordnung.

Nun möchte ich heute mit euch über eine Situation nachdenken, die ziemlich unangenehm ist. Nämlich die, wenn klar ist, dass man verloren hat. Das Spiel ist aus und es gibt keine Möglichkeit mehr, das Blatt noch einmal zu wenden. Auch wenn es viele Gründe für eine Niederlage geben kann, der schale Geschmack, dass man auch selbst schuld ist, ist immer da. Man hat die falsche Strategie gewählt, war nicht gut genug, hat Fehler gemacht, hat sich überschätzt. Aus die Maus.

Man ist als Kandidat bei einer Wahl gescheitert. Die konkurrierende Firma hat den Auftrag bekommen.

Oder man ist in der Ehe, bzw. Beziehung gescheitert.

Oder Petrus. Weinend und am Ende. Schlimm hat es ihn getroffen. Von seinem Scheitern können wir seit über 2000 Jahren lesen. Und jeder Hahn auf einer Kirchturmspitze erinnert in aller Welt an die Niederlage des Petrus.

Ich verstehe das, was hier mit dem Petrus passiert, als Niederlage. Er war guten Willens. Hat die Herausforderung gesucht und angenommen. Sogar Jesus gegenüber. „Und wenn alle anderen einknicken – ich nicht!“ Im Gegensatz zu seinen anderen Jüngerkollegen. Er hat gedacht, dass er Jesus nicht allein lassen kann und will. Er wollte dabei bleiben. Und dann passiert es. Unerwartet. Auf dem falschen Fuß erwischt worden. Er hat seine Fähigkeiten falsch eingeschätzt. Hat sich überschätzt. Hat vielleicht auch das Risiko falsch eingeschätzt. Und dann war es passiert. Der Schrei des Gockels und der Blick Jesu machen Petrus sein Scheitern bewusst. Unwiderruflich.

Habt ihr schon einmal nach einer richtigen persönlichen Niederlage in den Spiegel geschaut? Das ist nicht besonders angenehm.

Sich eingestehen, dass man derjenige ist, der verloren hat. Und dass das auf ewig so bleiben wird. Dass man derjenige ist, der an diesem Tag in dieser Situation verloren hat.

Wenn man mit einem Projekt im Beruf scheitert. Und alle es mitkriegen und wissen. Wenn man eine Wahl verliert. Z.B. auch in der Gemeinde. Wenn man sich klarmachen muss, dass andere den Vorzug bekommen haben.

Wenn man mit seinen Idealen scheitert und sich eingestehen muss, dass man das, was man sich für seine Ehe, in der Familie oder persönlich vorgenommen hat, nicht mehr erreichen wird. Und dass man es nicht ändern kann. Nicht mehr.

Das ist bitter.

Das ist bitter für Menschen, die ihre Arbeit verloren haben.

Jede Niederlage offenbart uns, dass wir nicht gut genug sind, das andere besser sind, dass wir an einer Herausforderung gescheitert sind.

Vielleicht gelingt es uns ja, so etwas ohne Schuldgefühle anzuschauen.

Aber selbst dann war das Glück oder das Schicksal eben auf der anderen Seite.

Oder, was vielleicht auch nicht besser ist, es war Gottes Wille.

Gott hat die Niederlage des Petrus nicht verhindert. Nicht verhindern wollen. Nicht verhindern können. Sie gehört von diesem Augenblick an zum Leben des Petrus. Für immer und ewig.

Aber wie geht es jetzt weiter? Wenn man so verloren hat.

Manche Menschen zerbrechen daran. An den Niederlagen in ihrem Leben. Ich denke, wir sollten uns bewusst machen, dass beileibe nicht alle Menschen durch Niederlagen stärker werden. Kinder, oder Menschen, die in der Kindheit, zuhause oder später in der Schule zu viele Niederlagen einstecken mussten und müssen, kommen nicht mehr auf die Beine. Sie bleiben liegen. Haben keine Kraft mehr. Haben ein beschädigtes Selbstwertgefühl.
Ich denke, dass auch die Zunahme von psychischen Erkrankungen, wie z.B. Depressionen darin eine Ursache haben. Oder die ganze Suchtproblematik.

Ist die eigene Lebenssubstanz zu gering, helfen alle Appelle an den guten Willen nicht mehr weiter.

Viele kommen nicht an den Punkt, wo sie sich ihre Niederlage eingestehen können. Sie suchen andere, die Schuld haben. Oder die Umstände. Früher war ich regelmäßig im Schwimmtraining, da gab es einen, der fast in jedem Training eine andere Erklärung dafür parat hat, warum es heute nicht läuft.
Man kann für manche Schwächen, Fehler oder Niederlagen sehr gut ein Leben lang die eigenen Eltern verantwortlich machen. Die schlechte Kindheit ist schuld, dass man gewalttätig ist, dass man trinkt, dass man die Ausbildung abbricht, dass man selbst nicht in die Gänge kommt.

Eine erschreckend hohe Zahl von Pastoren wird wegen Erschöpfungszuständen krankgeschrieben. Burn out. Weil sie die Signale nicht rechtzeitig wahrgenommen haben. Sich nicht eingestehen können, dass es zu viel ist, dass sie es eben nicht mehr schaffen. Oft auch, weil man das kleinere Werden der Gemeinde nicht verhindern kann. Auch so eine Niederlage, die einen zermürben kann.

Natürlich kann man die Niederlage auch als Chance nutzen. An Niederlagen kann man eine Menge lernen, das einem für die Zukunft hilft. Will man das Leben einigermaßen meistern, kommt man um diesen Schritt nicht herum. Sportler haben das normalerweise gelernt. Und natürlich auch viele andere. Menschlich gesehen sicher das Beste, was man tun kann. Was einem am meisten hilft. Erfolgreiche oder auch zufriedene Menschen sind selten solche, die nie verlieren, sondern eher solche, die es gelernt haben, aus ihren Niederlagen zu lernen. Fehler vermeiden, Strategien verändern, die eigenen Fähigkeiten verbessern.
Starke und gesunde Menschen können das. Und man kann dies von ihnen vielleicht auch erwarten.

Wenn man so an Niederlagen herangehen kann, werden sie einem nicht schaden, sondern helfen. Niederlagen so verstanden, sind wichtige Lehrmeister.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir verlieren lernen. Hoffentlich gehen wir mit vielen Niederlagen in unserem Leben auf diese Weise um.

Aber wir sollten diese Strategie, so richtig sie vielleicht auch ist, noch nicht mit christlich verwechseln. Menschlich gesehen, die beste Möglichkeit, mit Niederlagen umzugehen. Aber bei Petrus ist mir noch etwas anderes, wichtigeres aufgefallen.

Petrus ist durch sein Scheitern am Boden zerstört. Er hat sein Scheitern erkannt. Und jetzt?

Im Markusevangelium: 16,7: der Engel im Grab sagt zu den Frauen: „Geht hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass Jesus vor euch hergehen wird in Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen wie er euch gesagt hat.“

Und etwas später heißt es: Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und sprach: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur….“

Im Johannesevanglium wird am Ende noch viel von Petrus die Rede sein als Jesus ihn fragt, ob er, Petrus, Jesus liebt…

Ich verstehe das, was da passiert so: Jesus oder Gott selbst lässt Petrus wissen, dass er auch mit dieser Niederlage dazugehört. Der Auftrag, den Jesus seinen Jüngern gibt, geht selbstverständlich auch an Petrus. Im Johannesevangelium wird’s etwas ausführlicher, aber im Grunde erscheint hier Petrus in keiner Weise benachteiligt dadurch, dass er Jesus verleugnet hat.

Die Niederlage hatte keinerlei Auswirkungen auf die Meinung, die Jesus oder Gott von Petrus hatte, hatte auch keine Auswirkungen auf die Liebe, mit der Gott Petrus angeschaut hat. Und Petrus gehört einfach auch weiterhin dazu. Mit seiner Niederlage. Natürlich ist es normal, dass Petrus erst mal abtaucht, aber als er wieder auftaucht, ist er wie immer dabei.

Das ist für mich die wichtige Botschaft für alle Verlierer: ihr gehört dazu. Selbstverständlich. Warum denn auch nicht. Eine Niederlage ist eine Last, eine Narbe. Aber dadurch steht weder unser Menschsein in Frage, noch die Frage, ob Gott uns liebt, noch ob wir wertvoll sind.

Es geht weiter. Mit der Niederlage.

Gibt es noch mehr dazu zu sagen? Nein – außer vielleicht, dass sich aus dem Gesagten ergeben könnte, dass Niederlagen zum Leben und zum Menschsein dazugehören. Dass Gott das weiß und wir deshalb ihm gegenüber und in Folge davon auch anderen gegenüber durchaus offen mit unseren Niederlagen umgehen können. Auch als Christen und Gemeinden. Eine Gemeinde Jesu ist solidarisch mit den Verlierern. Sie haben selbstverständlich dort einen Platz. Wie alle anderen auch. Amen

Copyright Pastor Markus Bauder, Februar 2016

Predigt vom 14.02.2016 – Bezirksgottesdienst Berkheim

Text/Thema: Das letzte Abendmahl („24Stunden-Aktion“) = Wer wir sind! Mk 14, 12-26

Kurze Einführung, warum dieses Thema heute…
Ich muss zugeben, es ist auch für mich ungewöhnlich, schon zum Beginn der Passionszeit über das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern nachzudenken. Das kommt bei uns ja eigentlich erst mit dem Gründonnerstag und dann am Karfreitag.
Ungewöhnlich für mich ist auch, in einem Gottesdienst über Abendmahl nachzudenken und es dann nicht zu feiern. Allerdings ist es ja auch so gedacht, dass mit dieser Predigt auch ein Gespräch über das letzte Abendmahl eingeleitet werden soll. Ihr sollt bei der Lektüre des Buches und in der nächsten Woche in einer Kleingruppe über das Abendmahl nachdenken und weiterdiskutieren. Und da ist es vielleicht ganz gut, wenn man das erst einmal abwartet. Nächsten Sonntag feiern wir dann in Esslingen und Hegensberg Abendmahl, in Berkheim eine Woche später.
Sehr spannend, weil für mich ein bisschen neu – zumindest habe ich das in dieser Konzentration noch nicht so gesehen – ist, dass für Adam Hamilton das Abendmahl für uns als Christen identitätsstiftend ist. Im Abendmahl wird deutlich, was und wer wir als Christen sind.
Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass im Abendmahl etwas über Jesu, bzw. Gottes Handeln, Wesen und Sein deutlich werden soll. Dass wir ihn im Abendmahl erleben und erfahren. Was sicher auch richtig ist.
Hamilton beschreibt noch einmal konzentrierter und vor allem auf uns als Christen bezogen: im Abendmahl wird eben nicht nur deutlich, wer Gott ist und was er für uns getan hat, sondern da wird deutlich wer wir sind und wie wir sein sollen. Man könnte auch sagen, im Abendmahl verdichtet sich der christliche Glaube. Das Wesen des Glaubens wird dabei deutlich. Nicht nur Gott ist dabei wichtig, sondern wir werden mitten hineingezogen in ein Geschehen, das etwas über uns als Christen sichtbar machen will. Es passiert etwas im Abendmahl. Hamilton bezeichnet deshalb das letzte Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern gefeiert hat, als Geburtsstunde eines neuen Volkes.
Daraus folgt übrigens ganz nebenbei, dass man das Abendmahl viel häufiger feiern sollte als wir es tun. Ein Trend, den man in unserer Kirche zurzeit durchaus an verschiedenen Stellen beobachten kann. Eine kirchliche Kommission arbeitet anscheinend gerade an einem Gottesdienstentwurf, bei dem daran gedacht ist, in jedem Gottesdienst Abendmahl zu feiern.
Im März bin ich auf einer Fortbildung zum Thema Gottesdienst, wo ich diesen Entwurf mal näher kennenlernen kann…
Ich möchte uns heute zeigen, wie Adam Hamilton das letzte Abendmahl versteht und welche Bausteine, bzw. Perspektiven für ihn dazugehören.
Das Abendmahl hat seinen Ursprung im Passamahl – das haben wir sicher schön öfter gehört. Jesus feiert mit seinen Jüngern das Passamahl und gibt ihm eine neue Bedeutung. Aber er löst die ursprüngliche Bedeutung nicht einfach auf. Das Passamahl ist die Geburtsstunde des Volkes Israel. Es erinnert an den Auszug aus Ägypten. Daran, dass Gott sein Volk aus der Sklaverei in die Freiheit geführt hat.
Im Abendmahl werden auch wir in die Freiheit geführt.
Wir sind damit nicht mehr nur Menschen dieser Erde und eine Gemeinschaft, die sich darin erschöpft, Berkheimer oder Esslinger zu sein. Also Bürgerinnen und Bürger eines bestimmten Ortes.
Wir sind damit auch nicht mehr Menschen, die nur den Bedingungen dieser Welt unterworfen sind. Also Menschen, die berufstätig sind, Steuern zahlen, arbeitslos werden, krank sind, Studierende oder Schüler.
Nein, wenn wir Abendmahl feiern, werden wir zu Gottes Volk. Zu Menschen, die zu einem neuen Volk gehören. Wir gehören zur Christusgemeinschaft. Wir werden zu Menschen, die wie damals die Jünger, mit Jesus zusammen sind. Wir teilen die Gemeinschaft mit ihm. Er ist auch heute noch unser Gastgeber und im Abendmahl in unserer Mitte. Wir werden Teil eines Geschehens.
Aber, diese Freiheit ist eine, die erkauft ist. Die einen hohen Preis gekostet hat. Und vielleicht manchmal immer noch kostet. Christus hat für uns gelitten und ist für uns gestorben. Wenn wir Abendmahl feiern, lassen wir uns auf diesen Freikauf ein.
Eines Geschehens, dessen Perspektive bis in die Ewigkeit reicht. Jesus sagt selbst: Mich hat herzlich verlangt, dies Passalamm mit euch zu teilen. Ich werde es nicht mehr essen bis ich es in der Ewigkeit mit euch teile. Jedes Mal, wenn wir sagen, dass wir Abendmahl zu seinem Gedächtnis feiern, erinnern wir uns an diese Perspektive, die in der Zukunft liegt.
Abendmahl nimmt uns hinein in die Gemeinschaft der von Gott Freigekauften. Eine Gemeinschaft, die erst in der Ewigkeit vollendet wird.
Ein weiteres: die Abendmahlsgemeinschaft ist nicht nur eine Gemeinschaft, die eine Perspektive für die Ewigkeit hat. In ihr soll auch deutlich werden, was Christsein in unserer Gegenwart bedeutet.
Jesus schickt zwei seiner wichtigsten Leute vor, um das Passamahl vorbereiten zu lassen. Petrus und Johannes. Beide sollen einen Sklaven- bzw. Dienerdienst tun. Denn die Suche eines Raumes und die Vorbereitung des Mahles war ein Dienergeschäft.
Bei Lukas wird dann sogar noch erzählt, wie die Jünger, als sie schon am Tisch sitzen, darüber streiten, wer von ihnen wohl der größere und wichtigere sei.
Bei Johannes wird erzählt, wie Jesus zu Beginn des Mahles aufsteht, einen Schurz und eine Schüssel Wasser nimmt und beginnt, seinen Jüngern die Füße zu waschen.
Was sind wir doch immer wieder hineinverwickelt in Standesdünkel, Gerangel um Positionen, um oben und unten. Jeder will sein Stückchen Anerkennung. Und will einen Ort, an dem er glänzen kann. Und die wenigsten wollen dienen. Wollen Arbeiten verrichten, die unter ihrer Würde liegen, oder unter ihrer Qualifikation.
Hamilton erzählt in seinem Buch, wie ein reicher Unternehmer etwas für Jesus tun wollte und dann von seinem Pastor in die Armenküche geschickt wurde, um für Arme das Essen vorzubereiten. Dieser ließ sich trotz seiner Stellung darauf ein und es veränderte ihn tatsächlich sehr zum Guten.
Wir wissen nicht, ob Petrus und Johannes gezuckt haben, als sie für diesen Sklavendienst ausgesucht wurden, es ist aber auch klar, dass sie für die ersten Christen die zwei wichtigsten Jünger waren. Jesus macht deutlich: Abendmahlsgemeinschaft ist Dienstgemeinschaft. Zuallererst Dienstgemeinschaft und dann Mahlgemeinschaft. Dient einander. Und er macht es seinen Jüngern dann vor, indem er ihnen die Füße wäscht.
In Hegensberg und Berkheim scheint es kein Problem zu sein, in Esslingen ist es gerade etwas mühsamer, Menschen zu finden, die das Abendmahl vorbereiten. Die im Grunde den Dienst tun, den Petrus und Johannes für Jesus und die Jünger tun.
Eine wichtige Aufgabe, ein wesentlicher Bestandteil von Abendmahl. Dienst aneinander.

An dieser Stelle gebührt allen ein ganz herzliches Dankeschön, die unsere Abendmahlsfeiern immer wieder, teilweise auch in großer und langjähriger Treue vorbereiten und auch hinterher wieder aufräumen.
Christen sind Menschen, die einander und den Menschen dienen. Die mitunter Aufgaben wahrnehmen, die nicht besonders geachtet sind, die mitunter aufwändig sind, die man auch nicht immer sieht. Und ohne die doch eine Gemeinschaft nicht funktioniert.
Ein Hoch auf alle, die immer wieder Kuchen backen, Geschirrtücher waschen, in der Küche stehen, Abendmahl herrichten, Gesangbücher aufräumen, die Räume heizen, die Klos putzen und sauber machen, das Plätzle richten und was es sonst noch an Diensten in unseren Gemeinden gibt.
Abendmahl feiernde Menschen sind Leute, die einander dienen und anderen Menschen dienen. Und mitunter Aufgaben wahrnehmen, für die sie eindeutig „überqualifiziert“ sind.
Ein weiteres will ich hinzufügen: Abendmahl bedeutet, dass Jesus mit Menschen Gemeinschaft haben will, die unvollkommen sind. Ja, die ihn sogar verraten. Obwohl Jesus wusste, dass Judas ihn verraten und Petrus ihn verleugnen wird, hat er sie nicht vom Tisch gewiesen. Der eine wusste wahrscheinlich schon, was er anrichten wird, der andere war noch sehr von seiner Standhaftigkeit überzeugt. Beide haben trotzdem getan was sie getan haben. Sie sind unvollkommen. Und dazwischen Jünger, die um ihre Größe rangeln.
Das kennzeichnet dieses neue Volk, dass es lauter Sünder sind – ganz normale Menschen wie du und ich. Und die durch das Abendmahl ja auch nicht einfach bessere Menschen werden. Auch wenn sie sich das mitunter wünschen.
Wenn wir davon ausgehen, dass Jesus uns durch und durch kennt, dann ist ihm auch klar, dass keiner von uns ganz gut ist. Wir denken mitunter böse, manchmal handeln wir auch böse. Natürlich selten böse in einem strafrechtlichen Sinn, aber das Böse beginnt bereits, wo wir schlecht über andere Mitmenschen denken.
Er weiß, was wir denken und tun. Nicht dass er das alles gut findet, aber er lädt uns trotzdem an seinen Tisch. Dieses Zeichen ist wichtig. Es signalisiert uns, dass niemand so schlecht ist oder ungläubig oder kleingläubig, dass Jesus ihn vor die Tür setzen würde. Gewiss muss klar sein, dass an diesem Tisch Frieden herrscht, aber einen freien Platz findet hier jede/r, der will.
Der Sinn dieses Handelns ist, dass die Gemeinschaft am Tisch des Herrn immer auch zeigt, dass es einen Ausweg gibt. Dass Böses, das geschieht, nicht das letzte Wort ist, das unter Christen gesprochen wird. Bei allem, das wir uns immer mal wieder antun, auch gegenseitig, können wir uns immer am Tisch des Herrn treffen und Frieden schließen. Im Abendmahl wird uns nicht nur durch Gott Schuld vergeben, wir können uns auch gegenseitig vergeben und wieder von vorne miteinander beginnen.
„Zu seinem Gedächtnis“ – das ist ja ein Unterschied zwischen der katholischen Lehre und unserer. Bei uns verwandelt sich Brot und Wein nicht in Fleisch und Blut Jesu, es bleibt Brot und Saft. Ich verstehe Hamilton so, dass er einmal davon ausgeht, dass im Abendmahl Christus damals wie heute anwesend ist und wir tatsächlich in seiner Gegenwart Abendmahl feiern. Diese Gegenwart ist einmal eine geheimnisvolle, tatsächliche Anwesenheit. Aber wir können sie uns auch so vorstellen, dass wir beim Abendmahl an Jesus denken.
Hamilton vergleicht das mit anderen Bräuchen, die es bei uns gibt, wenn jemand, den wir liebhaben, nicht mehr da ist. Wir stellen ein Zimmer nicht um, wir behalten Kleidungsstücke oder es gibt an den Wänden Fotos vom verstorbenen Mann oder der geliebten Frau. Oder, es ist ein Lieblingsessen, das der Verstorbene hatte und jedes Mal, wenn wir es zubereiten, ist der Verstorbene im Geist anwesend. Erinnerungen kommen hoch, seine oder ihre Anwesenheit ist fast spürbar.
Früher soll es wohl auch unter Christen da und dort den Brauch gegeben haben, beim Essen ein Gedeck mehr aufzulegen, als Esser da sind. Um sich bewusst zu machen, dass immer noch ein Weiterer mit am Tisch ist. Jesus Christus, unsichtbar und doch gegenwärtig.
Mir ist wichtig, dass „zu seinem Gedächtnis“ mehr ist als ein Einfaches dran denken, was Jesus für uns getan hat. Er ist tatsächlich unser Gastgeber und unsichtbar in unserer Mitte.
Ein letztes: Hamilton beschreibt, wie Jesus und seine Jünger am Ende des Mahles singend in die Nacht hinausgehen. In die Nacht, die Leid und Tod bringen wird. Und Jesus weiß das. Und er singt trotzdem mit seinen Freunden dieses Lob- und Danklied aus Psalm 118 – wir haben es eingangs auszugsweise gelesen.
Hamilton schreibt: das ist eine Erfahrung, zu der man einladen kann. Ein Lob- und Danklied auf den Lippen zu haben, auch wenn man in die Nacht geht, hilft einem. Es ist ein starkes Signal gegen das Böse. Und es hilft uns, am Vertrauen auf Gott festzuhalten. Vielleicht pfeift man deshalb, wenn man in den dunklen Keller geht oder durch einen dunklen Wald muss. Aber im Ernst, als Petrus und Silas im Gefängnis waren, hat sich ihre Situation geändert als sie mitten in der Nacht Loblieder sangen. Sie wollten der Dunkelheit und dem Bösen nicht die Macht über ihre Leben überlassen. Sie wollten der Dunkelheit ihren Glauben gegenüberstellen.
Ein mutiges Zeichen und ein Rat, der durchaus hilft. Deshalb finde ich das Singen eines Chores im Krankenhaus oder im Altersheim nicht nur nett, sondern ein sehr wichtiges Zeichen. Eine wichtige Hilfe für Menschen, die gerade schwierige Zeiten durchleben.
Das Abendmahl endet mit einem Loblied, wohl wissend, dass das Leben kein Schlotzer ist und wir mitunter schon am Sonntag wissen, dass der Montag nicht gut wird. Trotzdem sollten wir singen. Weil es das ist, was uns im Abendmahl nahegebracht werden soll: Christus ist mit Dir, egal was kommt. Die Gemeinschaft des Volkes Gottes ist stärker als die Dunkelheit. Nicht, weil wir so toll wären, sondern weil Gott uns hält und wir nie tiefer fallen werden als in seine Hand.
Das letzte Abendmahl ist die Geburtsstunde eines neuen Volkes. Eines Volkes, das einander dienen will und den Menschen. Eines Volkes, das sich in aller Unvollkommenheit gegenseitig immer wieder annimmt. Eines Volkes, das Jesus Christus und das, was er getan hat, regelmäßig im Gedächtnis behält und das auch im Dunkeln versucht, auf Gott zu vertrauen.
Im Wissen, dass er, besonders im Abendmahl, aber auch im ganzen Leben, unsichtbar gegenwärtig ist und uns hält und trägt bis in alle Ewigkeit.
Amen

Copyright Pastor Markus Bauder, Februar 2016

Predigt am 1. Weihnachtsfeiertag

Predigttext: Galater 4,4-7

Hauptanliegen: Gott sandte seinen Sohn, damit aus Knechten und Mägden Söhne und Töchter werden. Und diese Vorstellung hat Auswirkungen auf unseren Glauben und auf unser Leben.
Wenn ihr nach dem heutigen Gottesdienst einen Gedanken aus der Predigt mitnehmen könntet, wäre ich sehr froh. Er lautet: Der Gott des Himmels und der Erde hält mich (also dich) für würdig, nicht sein Knecht oder seine Magd zu sein, sondern sein Sohn, bzw. seine Tochter. Und das hat Auswirkungen auf unseren Glauben und unser Leben.
Weihnachten soll dir dieses Jahr nicht nur schöne Geschenke, gutes Essen und nette Erfahrungen in der Familie oder im Freundeskreis bescheren. Wenn das so war und ist, dann ist das schon sehr schön. Aber es gibt noch etwas. Weihnachten soll dir auch bewusst machen, dass du in Gottes Augen etwas ganz besonderes bist.
Dein Nebensitzer oder deine Nebensitzerin übrigens auch.
Ich sage das deshalb gleich dazu, denn es ist wichtig, dass, wenn wir nach der Predigt in den Spiegel schauen und uns beglückwünschen, wir das nicht auf Kosten unseres Nebensitzers oder Nebensitzerin machen. Die dürfen das nämlich auch.
Ich lese euch den dazu gehörenden Text aus dem Galaterbrief vor. Da steht:
Als aber die Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn. Der wurde als Mensch geboren und dem Gesetz unterstellt, um alle zu befreien, die unter der Herrschaft des Gesetzes standen. Durch ihn wollte Gott uns als seine mündigen Söhne und Töchter annehmen.
Weil ihr nun Gottes Söhne und Töchter seid, gab Gott euch den Geist seines Sohnes ins Herz. Der ruft aus uns: „Abba! Vater!“
Du bist also nicht länger Sklave, sondern mündiger Sohn und mündige Tochter, und wenn du das bist, dann bist du nach Gottes Willen auch Erbe: Du bekommst, was Gott Abraham versprochen hat.
Fast scheint es, als ob Gott sich umschaut und denkt: Was machen die denn da? Da gebe ich mir alle erdenkliche Mühe um meinen Menschenkindern ein riesengroßes Geschenk zu machen. Und die kapieren es nicht. Die nehmen es nicht an. Die tun so als hätte Weihnachten nicht stattgefunden. (Streng genommen natürlich Weihnachten, Karfreitag, Ostern und Pfingsten zusammen – aber ich konzentriere mich heute mal auf Weihnachten).
Die tun so als wäre ich nicht einer der Ihren gewesen. Die tun so als wäre ich nicht auf diese Welt gekommen. Die tun so als wären sie immer noch rechtlose Sklaven eines übermächtigen und absoluten Herrschers…
Das, was Paulus da schreibt, ist der Versuch, den Galatern etwas begreiflich zu machen, was ja auch wirklich nicht so einfach zu verstehen ist. Und man könnte sogar sagen, dass sich das durch das ganze Neue Testament zieht. Und nicht nur das – es zieht sich durch die ganze Kirchengeschichte.
Es ist der ständige Kampf darum, ob der christliche Glaube dasselbe ist wie andere Religionen. Und damit die Fortsetzung derselben mit anderen Begriffen. Oder ob der christliche Glaube etwas neues, völlig anderes ist. Ein ganz anderer Weg. Eine völlig neue Weise, wie Gott sich uns Menschen zeigt und wie er sich unser Menschsein denkt.
Es ist klar, worauf ich hinauswill – der christliche Glaube ist eben nicht die Fortsetzung einer Religion mit anderen Begriffen. So als ob früher das Wort Baal durch Gott ersetzt wird. Und jetzt wird das Wort Gott durch Jesus Christus und den Heiligen Geist ersetzt.
Wenn das so wäre, dann würde es beim Christsein um dieselben Dinge gehen wie in anderen Religionen. Oder wie es Martin Luther formuliert hat: „Wie kriege ich einen gnädigen Gott?“
Was muss man tun um Gott zu gefallen. Welche Opfer muss ich bringen? Welche Werke muss ich tun? Wie oft muss ich in die Kirche? Wie oft muss ich beten? Wie oft muss ich in der Bibel lesen?
Und man tut so, als ob es für alle Fragen immer ein richtig und ein falsch gibt. Für oder gegen. Oder zumindest besser und schlechter. Steuern zahlen, Atomkraft, Homosexualität, Biokaffee, ökologischer Landbau, Windenergie, den 10nten opfern, Sonntagsarbeit, Sterbehilfe, usw
Paulus nennt das die Menschen, die dem Gesetz unterstellt sind. Man muss im Prinzip im Leben einfach nur alles richtig machen. Und es gibt auch jemand oder etwas, das dir genau sagt wie das geht.
Es ist das Leben eines Knechtes oder einer Magd. Angestellt, letztlich nicht selbst verantwortlich. Die tun einfach das, was man ihnen sagt. Die haben mehr oder weniger geregelte Arbeitszeiten. Die brauchen sich letztlich auch über Sinn eines Gesetzes keine Gedanken machen. Es ist halt so. Angestellte Gottes. Ausführende Organe eben. Knechte, Mägde – Anstellte eben. Die haben durchaus auch mal eine hohe Stellung und besondere Verantwortung. Aber sie handeln nicht frei und eigenverantwortlich. Knechte und Mägde waren damals auch keine Rechtspersonen. Sie handelten immer „im Auftrag“ und mussten gehorchen.
Aber – und da wird deutlich, dass das auch Vorteile hatte und hat – sie konnten vielleicht auch gehen, wenn die Arbeitszeit um war. Sie waren – wie es im Johannesevangelium an anderer Stelle eher negativ gesagt wird – eben Mietlinge. Die abhauten wenn der Wolf kam und denen die Schafe dann auch mal ziemlich egal sein konnten. Sie waren eben nicht Söhne und Töchter.
Sohn und Tochter Gottes zu sein ist etwas anderes, neues.
Man hat damals durchaus den Begriff Sohn Gottes oder vielleicht sogar Tochter Gottes gekannt, aber es gab nur einen, den man so genannt hat – den König. Der König von Ägypten bezeichnete sich als Sohn Gottes.
Die Konsequenzen dieser Vorstellung waren beeindruckend: er stand völlig außerhalb des Gesetzes. Es gab keinerlei Handhabe, ihn zu belangen. Er war völliger und absoluter Herrscher. Niemandes Untertan. Und sein Wort war für die anderen absolutes Gesetz. Gott sprach direkt zu ihm oder ihr. Ohne dass es weitere Mittler wie Priester oder Propheten brauchte. Und – das Königsrecht wurde vererbt. Man hat nicht gewählt.
So ein bisschen steckt diese Vorstellung mit drin, wenn im Neuen Testament von Sohn oder Tochter die Rede ist und Paulus von dem Sein unter dem Gesetz spricht. Unter dem Gesetz ist Knecht und Magd, nicht Sohn oder Tochter. Man stelle sich mal vor, wir seien tatsächlich Söhne und Töchter Gottes.
Im Gleichnis vom verlorenen Sohn wird das auch deutlich. Was sagt der Vater zum älteren Sohn: was mein ist, das ist auch dein. Und – ohne, dass es ausdrücklich dazugesagt wird – du hättest damit machen können was du willst. Du bist Sohn – nicht Knecht. Miteigentümer, gleichberechtigter Erbe. Eigenverantwortlich.
Der Unterschied ist ein Bewusstsein, eine eine Lebenshaltung. Ein Angestellter wird für sein Tun bezahlt, ein Sohn, eine Tochter wird nach diesem Verständnis überhaupt nicht bezahlt. Ihm, bzw. ihr gehört ja alles. Sie kann sich einfach nehmen was sie braucht. Eine völlig andere Lebenshaltung. Ein anderes Bewusstsein.
Mir gefallen so alte Ritterfilme – oder auch Science Fiction wie Herr der Ringe – da gibt es Söhne und Töchter von Königen. Da kann man ein bisschen nachempfinden wie das gemeint ist. Die haben sehr, sehr große Freiheiten. Letztlich entscheidet nur der eigene Vater darüber, ob ihr Handeln in seinen Augen recht ist oder nicht. Es gibt kein Bürgerliches Gesetzbuch und wenn, dann ist es nur für die Bürger da, aber nicht für den König oder seine Söhne und Töchter.
Paulus unterstreicht das. Ihr seid nicht unter dem Gesetz. Ihr seid Söhne und Töchter Gottes und nur ihm gegenüber verantwortlich.
Leben wir, so leben wir dem Herrn. Sterben wir, so sterben wir dem Herrn.
Ihr seid frei.
Unglaublich. Söhne und Töchter Gottes. Nicht von der Meinung der Menschen abhängig. Nicht vom Bürgerlichen Gesetzbuch abhängig. Ja, über unser Leben richtet Gott. Niemand sonst. Natürlich gibt es hier auf Erden Recht und Ordnung und das ist auch wichtig und richtig so. Aber in Ewigkeit entscheidet über unser Leben nur Gott. Und es mag sogar Situationen geben, in denen für uns die weltliche Ordnung der göttlichen zuwider läuft. Wie z.B. im Dritten Reich.
Ist das nicht unglaublich?!
Ich glaube, das muss man uns Christen immer mal wieder sagen, weil wir uns viel zu oft benehmen wie Knechte und Mägde. Wie kleinkarierte Angestellte, die ständig und dauernd nur darauf achten, dass Gott oder andere ihnen nicht auf die Finger klopfen.
Wir sollen uns an Jesus Christus ein Beispiel nehmen. Er hat uns vorgelebt was es heißt, Sohn oder Tochter Gottes zu sein. Er hat zwar gesagt, dass man dem Kaiser geben soll, was dem Kaiser gehört. Er hat aber auch gesagt, dass man Gott mehr gehorchen soll als den Menschen.
Man hat oft das Gefühl in den Evangelien, dass Jesus durch die Ausschließlichkeit, mit der er sich Gott untergeordnet hat, sehr frei im Umgang mit seinen Mitmenschen war. Sehr selbstbewusst. Sehr authentisch. Sehr echt und geradlinig.
Von diesem Sohn- oder Tochterbewusstsein wünsche ich uns mehr.
Wahrscheinlich sitzen unter euch auch ein paar, die jetzt denken, dass eine solche Haltung doch auch gefährlich ist. Man muss doch trotz allem auch vom Gesetz reden. Oder wenigstens von Regeln. Davon, dass Gott eben gerade nicht sagt, dass alles erlaubt ist. Es gibt doch Dinge, die Gott wichtig sind. Und die er auch einfordert.
Unser Text gibt mir heute die Richtung vor. Da steht: Weil ihr nun Gottes Söhne und Töchter seid, gab Gott euch den Geist seines Sohnes ins Herz. Der ruft aus uns: „Abba! Vater!“
Das soll das Kriterium sein. Wer zu Gott „Vater“ sagen kann – oder von mir aus auch „Mutter“ – der ist auf der richtigen Spur. Dazu gehört für mich auch, dass wir das Leben Jesu, als des Sohnes Gottes schlechthin, anschauen. Dort wird uns erzählt, wie Gott sich das mit dem Sohn Gottes vorstellt. Wie ein Sohn oder eine Tochter so lebt. Was sie wichtig finden sollen und was nicht. Wie sie mit anderen umgehen und wie nicht. Welche Vorstellung sie von Gott haben und welche nicht.
Darin steckt eine große Freiheit.
Natürlich eine verantwortete Freiheit. Aber es ist die große Freiheit der Kinder Gottes.
Ich verstehe das so, dass uns diese Freiheit auch einen großen Freimut einräumen will. Das zu tun, was dran ist und was richtig ist. Dass wir uns auch zutrauen, das zu wissen und zu spüren. Als Einzelne, aber auch als Gruppe, als Gemeinde.
Zurzeit vielleicht – sich für Flüchtlinge einsetzen. Der Kindermord von Bethlehem machte aus der kleinen Familie um das Jesuskind eine Flüchtlingsfamilie, die im fernen Ägypten Zuflucht finden musste. Welche unglaubliche Aktualität?! Auch heute müssen Menschen fliehen, weil es andere gibt, die vor keiner Gewalttat zurückschrecken. Martin Mezger kommentierte das gestern in der Esslinger Zeitung so: Das Geschehen um Bethlehem unterstreicht damit den hohen Einsatz, den der weihnachtliche Originaltext jenseits von Friede, Freude und Christkindkitsch allen Menschen guten Willens zumutet. Und – die Aktualität liegt auf der Hand, die Schande ebenso: Dass Tausende unter dem Banner von „Pegida“ und Ablegern durch die Straßen ziehen, ist ein himmelschreiender Affront gegen jeden weihnachtlichen Geist.
Die Freiheit, die hier gemeint ist, ist niemals eine „Alles-ist-mir-erlaubt“-Freiheit oder eine „Ist-mir-doch-egal-ich mach-was-ich-will“-Freiheit. Es ist die Freiheit derer, die sagen – unabhängig davon, was andere sagen, ich bemühe mich, das Richtige zu tun. Unabhängig davon, ob es mich etwas kostet – ich bin ein Sohn, eine Tochter Gottes. Ich bin Gott gegenüber verantwortlich. Das genügt.
Wenn wir zu Gott ernsthaft und tatsächlich Vater sagen, Vater sagen können – nicht nur im Sinne einer christlichen Formulierung, die man uns beigebracht hat und die wir völlig gedankenlos verwenden.
Sondern so wie die Menschen damals: „ Wie – ich kann zu Gott, dem Schöpfer des Universums tatsächlich so vertraut „Vater“ oder gar „Papa“ sagen – so nahe ist er mir?!“
Dann werde ich auch versuchen, dieser Vertrauensstellung gerecht zu werden. Und diese Freiheit mit Mut leben. Aufrecht und frei.
Deshalb kam Gott, kam Jesus auf diese Erde. Das will er sehen. Und wir sollten ihm und uns gegenseitig zeigen, dass wir das verstanden haben.
In diesem Sinn wünsche ich uns frohe Weihnachten.
Amen

Copyright Pastor Markus Bauder Dezember 2014

Pilger sein

Pilgern ist „in“. Nicht zuletzt deshalb laden wir an unseren Offenen Abenden im Oktober in Berkheim zum „pilgern“ ein. Aber was ist pilgern eigentlich?
Christoph Kühn, katholischer Priester in Eichstätt formulierte einmal so: „Pilgern ist geistig durchdrungenes und zielgerichtetes Gehen, das ein Überdenken der eigenen Ausrichtung anstößt und in letzter Konsequenz zur personalen Veränderung führt“. Ein anderer drückt es so aus: „Pilgern war immer der Beginn eines großen Abenteuers mit ungewissem Ausgang, aber zumindest mit einem klaren Ziel: das Heil für die Seele zu finden. Pilgern hat Menschen zu allen Zeiten fasziniert und verändert. Es verhilft vielen neu oder ganz anders zum Glauben an Gott; es erweitert Horizonte und fördert das Staunen“. Man könnte auch sagen Pilgern ist „Beten mit den Füßen“. Pilger verstehen sich auf einem Weg zu sich selbst und zu Gott.
Rein sprachlich bedeutet „Pilger sein“ sich als „Fremdling“ verstehen und meint Menschen, der aus religiösen Gründen zu einem bestimmten Ort hin aufbrechen. Vom Pilgern kommt der Spruch „der Weg ist das Ziel“, denn einerseits kennt der Pilger zwar ein Ziel, andererseits ist der Weg mindestens so wichtig wie das Ziel. Und für viele Pilger ist der Weg das eigentlich Wichtige an ihrer Reise.
Anselm Grün sagt: „Pilgern heißt, den Weg der Sehnsucht zu gehen. Diese Sehnsucht zeigt mir, dass in mir etwas ist, das diese Welt übersteigt. Im Pilgern komme ich in Berührung mit meiner Sehnsucht. Sie ist die Spur, die Gott in mein Herz gegraben hat. Um sie zu fühlen, folge ich den Fährten, die andere Pilger in diese Welt eingegraben haben“.
Interessant ist auch eine Bemerkung die ich auf die Frage, wo denn der berühmte Jakobsweg beginnt, gelesen habe. Die Antwort in Spanien lautet: „El camino comienza en su casa“ (Der Weg beginnt in deinem Haus).
Pilgern heißt also, sich mit Gott auf einen Weg begeben. Dazu lade ich uns alle ein. Nicht nur beim „Pilgern auf Irisch“, sondern überhaupt und generell. Dass wir uns als Christen und Gemeinden als „auf einem Weg“ erkennen und immer wieder bereit sind, Altes zurückzulassen und uns auf Neues einzulassen. Der Spur Gottes folgend…

(veröffentlicht in Gemeinde aktuell Oktober 2014)

Andacht vom Juli 2014

Liebe Geschwister,
„Ich ermutige uns, die Sorgen um die Zukunft unserer Kirche einmünden zu lassen in Gottvertrauen“ Das war der Schlussgedanke von Bischöfin Rosemarie Wenner in ihrem geistlichen Impuls, den sie uns Delegierten bei der Tagung der SJK weitergab. Nicht der Blick auf unsere Begrenzungen helfe weiter, sondern Mut und Zuversicht. „Lasst uns deshalb heute im Glauben leben und uns für eine Welt engagieren, in der die Schwächsten Lebensraum finden“. Wir sollen und wollen uns nicht von Sorgen, Grenzen oder Ängsten leiten lassen, sondern von Gottvertrauen. Mir ist das sehr wichtig. Wir sind eine „Nachfolgebewegung“ und eine „Heiligungsbewegung“, sagt unsere Bischöfin. Das Besondere unserer methodistischen Kirche ist dabei, dass Beides nicht in erster Linie bedeutet, dass unser eigenes Leben frömmer wird, sondern beides zielt auf Weltverantwortung ab. Unser gesellschaftliches Umfeld soll durch unsere Nachfolge und Heiligung zum Guten hin verändert werden. Dabei helfen uns 5 „G“: ansprechende Gottesdienste (bewusst doppeldeutig gemeint), systematische Glaubensentwicklung, Großzügigkeit, der Blick auf das Gemeinwohl und bewusste Gastfreundschaft. Für uns gehören Diakonie und Evangelisation zusammen, wir wollen bewusst generationenverbindend sein, wir suchen die Einheit aller Christen und wir sind eine internationale Kirche, d.h. wir gehen auch auf Menschen mit Migrationshintergrund zu.
Für mich steckt in diesen wenigen Zeilen der Bischöfin unser kirchliches Profil. Die Schwerpunkte, die wir im letzten Jahr für unsere Arbeit entwickelt haben, nämlich „Gemeinschaft nach innen und außen“ und „über den Glauben ins Gespräch kommen“, entsprechen ziemlich genau diesem Profil. Wir haben uns bereits auf den Weg gemacht. Und diesen Weg möchte ich gerne weitergehen. Etliche lassen sich bewegen, andere sind eher zögerlich. Wir können und wir werden als Gemeinden nicht dort stehenbleiben können, wo wir gerade sind. „Nachfolge“ und „Heiligung“ sind Bewegung. Christus geht zu den Menschen. Wir setzen uns mit ihm in Bewegung. Und hoffentlich auch mit Vielen, die diese Zeilen lesen.

Es grüßt euch herzlich
Markus Bauder
(veröffentlicht in Gemeinde aktuell Juli 2014)